Ein 43-Jähriger ist am Mittwoch auf dem Marktplatz von Wiesloch von der Polizei erschossen worden. Zuvor hatte er zwei Frauen angegriffen und die herbeieilenden Beamten mit einem Messer bedroht. Der Mann war für seine Aggressivität bekannt.

Wiesloch - Streifenbeamte der Polizei in Wiesloch haben am Mittwoch Morgen beim Versuch einer Festnahme einen mit einem größeren Messer bewaffneten Mann erschossen, der kurz zuvor zwei Frauen in einem Café angegriffen hatte. Der dramatische Vorfall ereignete sich kurz nach halb neun mitten auf dem idyllischen kleinen Marktplatz der Altstadt von Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) und wurde von etlichen Zeugen beobachtet. Ob einer oder mehrere Schüsse gefallen sind, soll die Obduktion des Toten klären.

 

Nach Angaben der Polizei hatte der Mann, der am Marktplatz wohnte, nur wenige hundert Meter entfernt im unteren Teil der Hauptstraße zunächst zwei jüngere türkische Frauen attackiert. Die beiden hatten dort vor einem Café im Freien gesessen; der Mann habe ohne ersichtlichen Grund zu einem Stuhl gegriffen und damit auf sie eingeschlagen, erklärte der Sprecher der Heidelberger Polizeidirektion, Harald Kurzer. Die Frauen hätten den Schlägen großteils ausweichen können, eine von ihnen sei am Kopf getroffen und dabei leicht verletzt worden.

Zwei Notrufe kurz hintereinander

Wenig Minuten später habe die Polizei in Heidelberg einen Notruf erhalten und eine Wieslocher Streife zum Tatort geschickt. Kurz darauf sei im dortigen Revier ein zweiter Anruf eingegangen, wonach der Mann nun mit einem „Bowie-Messer“ (ein schweres Arbeits- und Kampfmesser) in der Hand Richtung Marktplatz ziehe und Passanten attackiere. Beamte von vier Streifenwagen hätten daraufhin die Fahndung aufgenommen; zwei von ihnen hätten den Mann wenig später auf dem Marktplatz entdeckt und versucht ihn zu stellen. Als sie ihn festnehmen wollten, habe der 43-Jährige nach Angaben von Zeugen erneut sein Messer gezogen und sei auf die Beamten zugegangen, erklärte Harald Kurzer. Als die Beamten mit den Zurufen „Halt, Polizei“ und „Messer weg“ ihn mehrfach aufgefordert hätten, anzuhalten und seine Waffe fallen zu lassen, habe der Mann seine Schritte weiter beschleunigt. Auf einen Warnschuss habe er nicht reagiert. Am Ende habe er sich fast auf die Polizisten gestürzt. Diese hätten beide ihre Waffen gezückt gehabt und keine andere Chance gesehen, als – bereits aus nächster Nähe – zu schießen. Der Mann sei daraufhin zu Boden gegangen, die Beamten hätten das Messer weggestoßen und ihm Handschließen angelegt. Der Notarzt, der wenig später vor Ort gewesen sei, habe vergeblich versucht, ihn zu reanimieren. Der Mann sei noch am Ort des Geschehens gestorben. Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei hatte der Täter die beiden zunächst attackierten Frauen nicht gekannt. Ein Anlass für seine Angriffe war nicht ersichtlich.

Schon zuvor war der Mann bei der Polizei aufgefallen

Der Getötete war wohl arbeitslos, er sei in jüngster Zeit mehrfach wegen Aggressionsdelikten angezeigt worden, sagte Kurzer. So habe er einmal in einem Lokal betrunken randaliert, ein anderes Mal habe er einen Nachbarn angegriffen. Der Mann sei wegen Ruhestörung angezeigt worden, in Heidelberg sei er wegen einer Körperverletzung unter Alkoholeinfluss aktenkundig geworden. Von Vorstrafen sei aber bisher nichts bekannt. Den genauen Tathergang und die näheren Umstände des Schusswaffengebrauchs sollen nun Ermittlungen der Heidelberger Staatsanwaltschaft und der Landespolizeidirektion Karlsruhe klären.

Polizeischüsse auf Menschen sind keine Seltenheit

Statistik: 2011 haben Polizisten nach einer Statistik der Polizeihochschule bundesweit in 36 Fällen auf Menschen geschossen, davon 31-mal in lebensbedrohlichen Situationen. In den Fällen gab es sechs Tote und 15 Verletzte. Von 1998 bis 2010 waren es 95 Tote und 332 Verletzte. In Baden-Württemberg starb 2011 ein Mensch durch Polizeischüsse, 2010 zwei, 2009 einer.

Schusserlaubnis: Die Beamten dürfen ihre Waffen nur in Extremsituationen einsetzen. Gründe sind meist Notwehr oder der Schutz eines Bedrohten. Das Schießen ist im Ernstfall aber auch erlaubt, wenn schwere Verbrechen oder die Flucht eines gefährlichen Täters nicht anders zu verhindern sind. Immer muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

Schießtraining: Schutzpolizisten üben regelmäßig „Deut-Schüsse“ – gemeint ist das Ziehen der Waffe und das sofortige Abdrücken ohne genaues Anvisieren des Ziels. Denn oft müssen sich die Beamten in Sekundenbruchteilen verteidigen. Auch das gezielte Feuern auf Stellen, die den Angreifer nur „kampf- oder fluchtunfähig“ machen, ist Teil der Ausbildung