Frauen wollen festen Boden unter den Füßen spüren: viele tragen diesen Sommer flache Sandalen. Die Imageberaterin Katharina Starlay erklärt, woher das kommt und was das mit dem Feminismus zu tun hat.
Stuttgart -
Birkenstocks, Flip-Flops, Zehensandalen – diesen Sommer tragen auffällig viele Frauen aller Altersklassen flache, offene Schuhe. Woher kommt der Trend?
Die flache Gesundheitssandale ist im Zuge des Gesundheitstrends und der höheren Bewusstheit für den eigenen Körper sehr gefragt. Heidi Klum hat bereits vor einigen Jahren einen Trend gesetzt mit ihrer eigenen Birkenstock-Kollektion. Generell kann man den Trend zur flachen, sportlichen Sandale als Bruder des Sneakerstrends betrachten. Beides ist eine Antwort auf die immer stärkere Casualisierung der Alltagsbekleidung, also den immer lässiger werdenden Dresscodes im Alltag. Das ist in Deutschland stärker zu beobachten als in anderen europäischen Ländern.
Warum gerade in Deutschland?
Wolfgang Joop hat einmal gesagt: „In Deutschland gilt Mode als etwas Vermeidbares. Als sei es lobenswert, sich nicht zurecht gemacht zu haben.“ In Deutschland ist der Anteil der Menschen, für die Stil und Styling im Sinne von „sich schick machen“ einen geringeren Stellenwert einnehmen, höher als in anderen Ländern. Da passen die legeren, flachen Gesundheitssandalen gut ins Bild. Sie sind praktisch, bequem und sind momentan auch noch hip. Das heißt: sehr viele tun’s. So läuft man nicht Gefahr, aus dem Rahmen zu fallen.
Die Firma Birkenstock hat einen Imagewandel hinter sich. Ist das ein ähnliches Phänomen wie bei den Ugg Boots: bequemer Tragekomfort wird plötzlich cool und hip?
Als die Ugg Boots aufkamen, hatte ich das Gefühl, dass das ein echter Antitrend war. Aber diese Schuhe geben dem Fuß überhaupt keinen Halt. Ein Schuh ist immer dann gut, wenn er den nötigen Halt gibt. Das tun die Gesundheitssandalen schon eher. Der Imagewandel hat sicherlich auch damit zu tun, dass Prominente und Influencer den Schuh für sich entdeckt und ihm einen gewissen Glamour-Anstrich verpasst haben. Darauf hat wiederum die Marke reagiert und das Sortiment entsprechend erweitert.
Es gibt die These, dass der Trend zum flachen Schuh auch etwas mit dem feministischen Zeitgeist zu tun hat. Ist da etwas dran?
Vielleicht möchte die ein oder andere Frau ihre Schuhwahl als Zeichen verstanden wissen. Nach der Devise: „Ich bin wie ich bin und auch ohne hohe Absätze attraktiv.“ Das könnte womöglich die Flanke der #Metoo-Bewegung sein, aber das möchte ich nicht unterstellen.
Flache Schuhe gelten modehistorisch gesehen durchaus als Zeichen der Befreiung.
Ja, auf jeden Fall. Vieles, was die Mode in der Vergangenheit hervorgebracht hat, war nicht dazu gemacht, sich wohl zu fühlen. Es hat immer einen Wechsel des Frauenbilds gegeben und das hat wiederum die Schuhmode beeinflusst.
Was sagt die Höhe des Absatzes über die Trägerin aus?
Was man sich immer bewusst machen sollte: mit den Schuhen steht und fällt die Haltung des Menschen. Damit kann der Mensch nicht nur nach Außen eine Wirkung erzielen, sondern auch nach innen. Manche Menschen verderben sich den Auftritt mit zu hohen Absätzen, weil sie sich darin nicht sicher fühlen. Es geht bei Schuhen unter anderem um Souveränität, und das betrifft natürlich auch die offenen, flachen Schuhe. Es gibt Frauenschuhe zum Laufen, zum Gehen, zum Stehen und zum Gutaussehen. Das jeweils zu den passenden Gelegenheiten richtig anzuwenden, ist schon ein kleines Souveränitätsgeheimnis.
Wie steht es um offene Sandalen im Büro?
Das hängt von Unternehmen und Branche ab. In vielen Unternehmen, in denen es Kundenkontakt gibt und wo man Seriosität ausstrahlen möchte, gelten komplett offene Schuhe als nicht angemessen. Gerade die junge Generation empfindet einer Studie zufolge alles, was Nacktheit repräsentiert – bauchfreie Tops, durchsichtige Oberteile, zu viele Tattoos – im Büro als nicht angemessen. Bei hohen Temperaturen und vorausgesetzt die Füße sind top gepflegt, finde ich es für Frauen in Ordnung, offene Sandalen zu tragen, sofern kein Kundenkontakt im klimatisierten Raum besteht. Denn auch die Örtlichkeit spielt für die Wahl von Schuhen und Kleidung eine Rolle.
Wie stehen Sie zu Flip-Flops?
Man muss sich einfach fragen, ob man jemanden kennt, der in Flip-Flops einen eleganten Gang hat. Damit ist doch alles gesagt. Denn die Erscheinung schließt Bewegung mit ein.
Zur Person Katharina Starlay
Katharina Starlay ist Modedesignerin, Imageberaterin und Mitglied im Deutschen Knigge-Rat. Die 53-Jährige befasst sich seit 30 Jahren mit Kleidung und Stil: Sie berät Menschen und Unternehmen rund um die Themen Mode, Stil, Authentizität und Auftreten. Sie hat diverse Bücher rund um ihr Fachgebiet beim Frankfurter Allgemeine Buch Verlag veröffentlicht: „Stilgeheimnisse“ (2012), „Der Stilcoach für Männer“ (2017), „Tattoos im Job“ (2019).