Der Unterricht im Schulamtsbezirk Backnang ist vorerst gesichtert: 155 neue Lehrer beginnen am Montag ihren Dienst an den Grundschulen, (Werk)-Realschulen und Gemeinschaftsschulen. Doch Reserven gibt es keine mehr – jeder Ausfall eines Lehrers wird zum Problem.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Backnang - Alle Schulen im Schulamtsbezirk Backnang sind arbeitsfähig – zumindest zu Beginn des Schuljahres, teilte die Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring am Freitag in Backnang bei einem Pressegespräch mit. Angesichts der angespannten Personalsituation sei es allerdings ein „großes Puzzlespiel“ gewesen, alle Lehrerstellen zu besetzen. „Das war fast wie ein Krimi“, so die Schulamtsleiterin. Denn der Arbeitsmarkt gebe nicht so viele Lehrer her, wie eigentlich gebraucht würden. Deshalb habe man bereits im Dezember mit den ersten Stellenausschreibungen begonnen. So sind am Freitag 155 neue Lehrer in Backnang vereidigt worden.

 

„Jetzt ist man wieder eine Etappe weiter, auch wenn man es im Moment noch gar nicht richtig realisiert“, sagt eine Realschullehrerin kurz nachdem sie verbeamtet wurde. Die 29-Jährige schätzt an ihrem Beruf vor allem den Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen und die Abwechslung. „Jeder Tag ist anders“, sagt sie und eine Kollegin pflichtet ihr bei. „Es macht mir Spaß, die Schüler für etwas zu begeistern“, erklärt die 27-Jährige, bevor sie sich auf den Weg zur Gesamtlehrerkonferenz ihrer Realschule in Kernen macht. Der Beruf des Lehrers sei nicht unattraktiver geworden, meint Sabine Hagenmüller-Gehring.

Mehr Schüler, weniger Lehrer

Der derzeitige Mangel habe vielmehr andere Gründe: Die große Pensionierungswelle etwa, deren Höhepunkt inzwischen jedoch überschritten sei. Weil die Hürden zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums hoch waren, rückten überdies weniger neue Lehrkräfte nach. Gleichzeitig seien die Schülerzahlen aber gestiegen, durch Ganztagsschule, Inklusion und neue Schulkonzepte müssten heute zudem mehr Stunden abgedeckt werden. „Einige dieser Entwicklungen konnte man nicht absehen“, betont die Schulamtsleiterin. Sie geht davon aus, dass es in zwei bis drei Jahren wieder genügend Lehrer geben wird, etwa weil die Pensionierungswelle bis dahin abgeflaut sein dürfte und viele junge Lehrkräfte aus ihrer Elternzeit zurückkehren. „Deshalb stellt man jetzt nicht Unmengen von Lehrern unbefristet ein“, erklärt Hagenmüller-Gehring. So hat das Backnanger Schulamt zusätzlich noch 49 befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, um die momentanen Lücken in der Lehrerversorgung zu stopfen.

Eberhard Messer ist einer derjenigen, die aushelfen: Der 66-Jährige war rund 30 Jahre Schulleiter und eigentlich im Sommer 2017 in Pension gegangen. Tatsächlich ist er seitdem jedoch in der Schulleitung einer Gemeinschaftsschule tätig. „Es ist notwendig, dass das Schulleitungsteam voll besetzt ist, und ich hoffe, dass sie schnell Ersatz finden“, sagt er. Pensionäre befristet einzustellen ist nicht die einzige Maßnahme, mit der dem Lehrermangel begegnet wird. Von den 62 neu eingestellten Grundschullehrern sind zwölf eigentlich für das Lehramt an Gymnasien ausgebildet. Sie erhalten eine berufsbegleitende Qualifizierung für das Grundschullehramt, werden – wenn sie diese bestehen – auf Probe verbeamtet und haben langfristig Anspruch auf eine Anstellung an einem Gymnasium. „Ohne sie hätten wir den Bedarf an den Grundschulen nicht absichern können“, erklärt Hagenmüller-Gehring.

Keine Reserven mehr

„Das ist schon eine Herausforderung, aber die nehme ich gerne an. Ich kann Teilzeit arbeiten und habe gute Unterstützung der Kollegen“, sagt eine Musiklehrerin. Eine Stelle an einem Gymnasium zu finden sei schwierig gewesen, denn der Mangel an Gymnasiallehrern ist in bestimmten Fächern verhältnismäßig gering. Dass sie an der Grundschule weniger verdient als am Gymnasium, stört die 32-Jährige nicht. „Ich probiere das jetzt aus und ich freue mich darauf“, sagt sie entschlossen.

Derartige Flexibilität dürfte weiterhin gefordert sein: Es gibt im neuen Schuljahr keine feste Krankheitsreserve, alle Lehrer sind bereits im Einsatz. „Jeder Ausfall wird eine Herausforderung darstellen, für die eine individuelle Lösung gefunden werden muss“, betont Sabine Hagenmüller-Gehring. Schon im vergangenen Schuljahr hätten die Schulleiter gute Lösungen gefunden. So halfen beispielsweise benachbarte Schulen einander aus. „Das ist bemerkenswert“, lobt die Schulamtsleiterin. Sie weiß: „Die Situation ist für alle belastend.“

Lehrerversorgung im neuen Schuljahr

Personal:
155 Lehrer stellt das Staatliche Schulamt Backnang zum kommenden Schuljahr ein. 62 von ihnen werden an Grundschulen und in der Primarstufe der Gemeinschaftsschulen (GMS) eingesetzt, zwölf von ihnen sind ausgebildete Gymnasiallehrer, 46 in der Sekundarstufe der GMS und in Werkrealschulen, 34 an Realschulen, elf in den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren und zwei im Privatschuldienst.

Sonderpädagogik:
In diesem Bereich konnten nicht alle zugewiesenen Stellen mit ausgebildeten Sonderpädagogen besetzt werden. Lehrer aus den allgemeinen Schulen sowie Personen ohne Lehrbefähigung decken den Bedarf ab.

Schülerzahlen:
Die Anzahl der Schüler ist in allen Schularten gestiegen, außer bei den Werkrealschulen, von denen es nur noch drei im Schulamtsbezirk Backnang gibt. Hohe Zuwächse verzeichnen die Gemeinschaftsschule