Diktatoren und Terroristen in einer Reihe mit Friedensnobelpreis-Trägern: Mit seiner ungewöhnlichen Feiertags-Rundmail löst ein Schuldekan Irritationen aus.

Ludwigsburg - Diese Reihe politischer Persönlichkeiten ist ungewöhnlich: auf einer elektronischen Weihnachtsgrußkarte tummeln sich Diktatoren wie Kim Jong-un, Josef Stalin und Adolf Hitler neben Terroristen wie Osama bin Laden und Abu Bakr al-Bagdadi. Hinzu kommen Wladimir Putin, Machthaber in Russland, und der Ex-Diktator Libyens, Muammar al-Gadaffi. Vervollständigt wird der Reigen durch zwei Friedensnobelpreisträger: US-Präsident Barack Obama und der frühere Präsident Südafrikas, Nelson Mandela.

 

Die Weihnachtsbotschaft dazu stammt vom ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann: „Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr kommt. Frohe Weihnachten!“ Verschickt wurde die E-Mail von Johannes-Christoph von Bühler, Schuldekan im Bezirk Ludwigsburg/Besigheim, an rund 40 Schulen in seinem Bereich. Der Schuldekan trägt beispielsweise Sorge für die Fortbildung der Pfarrer, die evangelischen Religionsunterricht erteilen, und fungiert als Bindeglied zwischen Schulen, Kultusministerium und Landeskirche.

„Macht und Leben aller Herren sind begrenzt“

Doch bei vielen Adressaten kam die Botschaft nicht gut an. „Einige kritische Rückmeldungen und E-Mails“ hat der Schuldekan laut seinem Kollegen, dem Ludwigsburger Dekan Winfried Speck, bekommen. Er selbst wisse die „zugegeben provokative“ Botschaft als Theologe sehr wohl einzuordnen. Es gehe nicht um die vordergründige Gleichsetzung von Diktatoren oder Terroristen mit demokratischen Machthabern. Vielmehr habe sein Kollege darauf hinweisen wollen, „dass Macht und Leben aller Herren dieser Welt begrenzt sind“.

Von Bühler selbst wurde nach eigenem Bekunden überrascht von der Resonanz seiner E-Mail. „Es tut mir Leid, wenn ich damit Gefühle verletzt habe. Das war nicht meine Absicht.“ Der Hintergrund seiner Botschaft sei „ein Erschrecken darüber, dass 2014 ein Jahr voller Gewalt war“ gewesen. Dafür gebe es keine Worte, aber die Hoffnung auf Jesus Christus.

Kirche hält Illustration für „völlig missglückt“

Die evangelische Landeskirche in Württemberg geht derweil deutlich auf Distanz zu der Weihnachtspost. Zwar sei das Zitat Heinemanns für solche Botschaften durchaus geeignet. „Die Illustration und die Reihung der Bilder ist aber völlig missglückt“, teilt Dan Peter, Referatsleiter des Kirchenrats in Stuttgart, mit. Von Bühler möge die weitere Versendung unterlassen und alle Adressaten um Löschung der E-Mail bitten, so Peter weiter.

Johannes-Christoph von Bühler ist dieser Forderung offenbar bereits zuvorgekommen. „Ich habe dieses Bild zurückgerufen“, sagt er. Ob die Montage gelöscht oder nur nicht weiter verbreitet werde, überlasse er den jeweiligen Adressaten. „Ich bedauere das alles sehr“, sagt von Bühler. Er habe „nur eine Hoffnungsperspektive aufbauen“ wollen. Sein Kollege Winfried Speck nimmt ihn gegen Kritik in Schutz: „Er wollte nicht alle in einen Topf werfen“, sagt der Ludwigsburger Dekan.

Botschaft stößt auf Empörung

Bei vielen Schulleitern, Lehrern oder Bürgermeistern, denen die Mail weiter geleitet wurde, stößt die Botschaft auf Empörung. Er halte die Kombination bester Weihnachtswünsche mit Friedensnobelpreisträger und üblen Diktatoren „für geradezu skandalös“, sagt beispielsweise der Ludwigsburger Sonderschullehrer und FDP-Stadt- und Kreisrat Johann Heer.

Kommentar – Jenseits von Gut und Böse

Kommentar - Man darf dem Schuldekan durchaus abnehmen, dass er es nicht böse gemeint hat. Johannes-Christoph von Bühler wollte die in gewisser Hinsicht tröstliche Botschaft transportieren, dass es mehr gibt, als irdische Machthaber. Allein: die Wahl seiner Mittel findet nicht nur die evangelische Landeskirche völlig jenseits von Gut und Böse. Dass er friedlich gesinnte Machthaber wie Barack Obama oder Nelson Mandela buchstäblich in eine Reihe mit Terroristen, ja gar Hitler und Stalin stellt, zeugt von mangelndem Fingerspitzengefühl. Gerade bei heiklen theologischen Fragen ist das aber nötig.

Rüffel von der Kirche ist folgerichtig

Es ist deshalb folgerichtig, dass die Landeskirche ihren Dekan für die missratene Weihnachtspost rüffelt. Es geht dabei nur in zweiter Linie um Mängel im historischen Bewusstsein oder die billige Forderung nach politischer Korrektheit. Eine derart unreflektierte, pauschale Reihung von Machthabern wirft kein gutes Licht auf jemanden, der als Schuldekan von Amts wegen Politik und Religion anschaulich, aber unmissverständlich unter einen Hut bekommen muss. Mangelnde Sensibilität ist kein gutes Handwerkszeug für einen in der Pädagogik tätigen Menschen.

Schwer vermittelbare Botschaft

Man darf zudem daran zweifeln, dass eine so radikal jenseitige christliche Botschaft wirklich das religiöse Empfinden der meisten evangelischen Christen widerspiegelt. Die zumindest anklingende Botschaft, dass ein Christ getrost die Tyrannen dieser Welt ertragen möge, weil der Heiland kommen wird, ist zumindest schwer zu vermitteln. Mit dieser Weihnachtsmail ist das dem Schuldekan gründlich missglückt.