David Graebers Buch „Schulden“ dient als Vorlage für eine experimentierfreudige Inszenierung, die am Samstag am Staatstheater Stuttgart uraufgeführt wurde. Klar, dass es bei dem Anarcho-Stoff nicht wie in einem ganz normalen Theaterstück zugeht.

Stuttgart - Als Verfasser eines Theorie-Wälzers muss man schon einen besonderen Zeitpunkt erwischen, wenn man mit seinem Buch eine Leserschaft erreichen will, die sich nicht nur auf einen kleinen Kreis von Spezialisten beschränkt – da kann das, was man zu Papier bringt, noch so klug und originell sein.

 

Dem US-amerikanischen Ethnologen und Anarchisten David Graeber ist dieses Kunststück gelungen. 2011 veröffentlichte er sein Buch „Schulden: Die ersten 5000 Jahre“ - und der Augenblick hätte kaum besser gewählt sein: Die Occupy-Bewegung sorgte mit der Besetzung der New Yorker Wall Street weltweit für Aufsehen, während gerade in Europa die Staatsschuldenkrise die Regierungen in Atem hielt. So feierte die internationale Kritik Graebers Traktat als Buch der Stunde und verpasste, wie nicht anders zu erwarten, dem Autor prompt den Titel „Vordenker der Occupy-Bewegung“.

Eine dramatisierte Fassung von Graebers Geschichte der Schulden ist nun im Schauspiel Stuttgart zu sehen; ein mutiges Unterfangen, dass sich da der Regisseur Andreas Liebmann zusammen mit Stuttgartern Schauspielstudenten vorgenommen hat – denn man kann schon geteilter Meinung darüber sein, ob ein Text, der das Ziel verfolgt, mit fragwürdigen Theoremen des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams aufzuräumen, wirklich dafür geeignet ist, auf der Bühne dargeboten zu werden.

Ungewöhnliche Textgrundlage, unkonventionell inszeniert

So ungewöhnlich die Textgrundlage, so unkonventionell fällt die Inszenierung aus. Die Zuschauer betreten einen abgedunkelten Saal, Sitzgelegenheiten gibt es erst mal keine; die Darsteller kauern in den Ecken, es wird gewerkelt und gehämmert. Dann geht das Licht an, ein Frau (Marianne Helene Jordan) begrüßt exaltiert den spanischen Konquistador Hernan Cortez (Arlen Konietz) als „Prototyp eines Schuldners“.

In dem kurzen Dialog stellt sich zur Freude der Dame heraus, dass Cortez zwar einen sexuell eher ausschweifenden Lebenswandel pflegt, aber nicht verheiratet ist (und folglich noch zu haben ist) – und dass er, um sich seiner Schulden in Spanien zu entledigend raubend, mordend und brandschatzend in der „Neuen Welt“ gewütet hat. Eine Strategie, fiskalische Probleme zu lösen, die historisch betrachtet gar nicht so unüblich ist, mit der man aber trotzdem wohl besser nicht hausieren geht.

Nicht allzu verkopft

In den folgenden knapp zwei Stunden werden verschiedene Episoden und Positionen aus Graebers Buch dargeboten – mal mit mehr, mal mit weniger originellen dramaturgischen Mitteln. Allzu verkopft gerät das Ganze zum Glück nur selten, die experimentierfreudige Inszenierung ist erfrischend kurzweilig.

Überhaupt: das Thema „Schulden“ spielt in der politischen Diskussion eine so prominente Rolle, dass es tatsächlich dringend geboten ist, zu hinterfragen, warum es denn so selbstverständlich sein soll, dass Staaten ihre Sozialausgaben zusammenstreichen müssen, um irgendwelche Verbindlichkeiten zu bedienen, oder Leute ins Gefängnis wandern, nur weil sie verhältnismäßig kleine Beträge nicht zurückzahlen können. Und wenn nun ein Theatermann meint, diese Fragen auf der Bühne behandeln zu müssen – warum denn auch nicht?

Eine ausführliche Besprechung folgt in der StZ-Printausgabe vom Montag.

Weitere Vorstellungen: Samstag (8.2.), Sonntag (9.2.) und Montag (10.2.), jeweils um 20 Uhr im Nord