Daniela Hihn von der Diakonischen Bezirksstelle Filder hilft Menschen, die ihren Schuldenberg nicht mehr alleine bewältigen.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Filderstadt - Aus dem Schuldneratlas, der jährlich von dem Unternehmen Creditreform herausgegeben wird, geht hervor, dass die Überschuldung in Deutschland im Coronajahr 2020 leicht abgenommen hat. Als Grund wird vermutet, dass Soforthilfen gegriffen haben, aber auch, dass weniger konsumiert und daher mehr gespart werden konnte.

 

Daniela Hihn, die als Schuldner- und Insolvenzberaterin bei der Diakonischen Bezirksstelle Filder in Bernhausen arbeitet, hatte im vergangenen Jahr allerdings nicht weniger zu tun, im Gegenteil. „Wir hatten 2020 deutlich mehr Anmeldungen als 2019“, sagt sie. Es seien Klienten hinzugekommen, die zuvor noch nie mit Schulden zu tun gehabt hätten. Für viele sei die coronabedingte Kurzarbeit zum Problem geworden. „Wenn man mit seinem Einkommen den Kredit gerade so bedienen kann, dann schafft man das mit 60 Prozent des Einkommens nicht mehr“, erklärt Hihn. Dass der Schuldneratlas einen Rückgang überschuldeter Menschen anzeigt, könne daran liegen, dass viele Menschen noch „jonglieren“ würden. „Sie stunden ihre Miete, brauchen angespartes Vermögen auf. Erst wenn all das durch ist, dann kommen sie zur Schuldnerberatung. Die Welle kommt noch“, vermutet Hihn.

Wie läuft eine Beratung bei der Diakonie ab?

Anfangs schauen Klient und Berater alle Unterlagen durch und erstellen eine Übersicht über die Schulden, aber auch über Einnahmen und Ausgaben. Da die Existenz gesichert sein muss, prüft der Berater im nächsten Schritt, ob es eine Möglichkeit gibt, das Einkommen zu erhöhen. Etwa indem zustehende Sozialleistungen beantragt werden oder Pfändungsschutz eingeleitet wird. Helfen können der Antrag auf aufstockende Grundsicherung, Wohngeld und einen Kinderzuschlag, oder es kann ausbleibender Unterhalt eingefordert werden. Anschließend schaut der Berater, ob es persönliche Gründe gibt, die zu der Verschuldung geführt haben – etwa Sucht oder psychische Probleme. Es wird gemeinsam überlegt, welche zusätzlichen Hilfen der Betroffene durch Suchtberatung, den sozialpsychiatrischen Dienst oder psychologische Beratung erhalten kann.

Was wird unternommen, um die Schulden loszuwerden?

„Wenn etwas Geld da ist, schauen wir, ob wir Ratenzahlungen vereinbaren können. Allerdings beachten wir, dass das Existenzminimum nicht angerührt wird“, sagt Daniela Hihn. Manchmal werden auch von Verwandten oder Freunden Geldbeträge für Vergleichsverhandlungen zur Verfügung gestellt, bei denen der Gläubiger auf einen Teil seiner Forderung verzichtet. Eventuell wird ein Insolvenzverfahren eingeleitet – aber nur dann, wenn ein Klient in der Lage ist, mit seinem Geld auszukommen und sich nicht erneut verschuldet.

Neu ist, dass die Verbraucherinsolvenz rückwirkend ab 1. Oktober 2020 von sechs auf drei Jahre verkürzt wurde. Voraussetzung für ein solches Verfahren ist, dass alle Angaben wahrheitsgemäß gemacht und sämtliche Gläubiger angegeben werden. Alles Vermögen und pfändbare Dinge gehen an den Insolvenzverwalter. Dieser regelt den Schriftverkehr mit den Gläubigern. Alle Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ruhen, was für die Betroffenen entlastend ist.

Neustart nach drei Jahren

Nach drei Jahren werden die Restschulden erlassen. In ihren Augen macht die verkürzte Verfahrenslaufzeit Sinn, da in sechs Jahren selten deutlich mehr Geld zusammenkomme. Die Gefahr, es könnte zu einfach scheinen, Schulden loszuwerden, sieht sie nicht. „Wir haben nie Fälle, in denen Leute Schulden aufgenommen haben, um sich ein schönes Leben zu machen.“ In den meisten Fällen seien Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung oder prekäre Arbeitsverhältnisse Ursache der Überschuldung – oder eben Corona.