Wegen der hohen Kosten der Corona-Krise kommt aus dem Kanzleramt der Vorschlag, die Schuldenbremse über Jahre auszusetzen. Die Haushaltspolitiker der Unionsfraktion sind entsetzt.

Berlin - Für kaum etwas hat die Unionsfraktion im Bundestag in den vergangenen Jahren so hart gekämpft wie für die Politik eines ausgeglichenen Haushalts. Dass nun ausgerechnet Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) fordert, die Schuldenbremse wegen der Corona-Pandemie über Jahre hinweg auszusetzen, ruft in der Fraktion scharfe Ablehnung hervor. „Nach der Krise gehen Schuldenbremse und Investitionsaufwuchs ohne Steuererhöhungen zusammen“, widersprach der für die Haushaltspolitik zuständige Unionsfraktionsvize Andreas Jung gegenüber unserer Zeitung dem Vorstoß von Braun.

 

Merkel-Vertrauter: Schuldenbremse nicht einzuhalten

Der Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in einem Beitrag für das „Handelsblatt“ geschrieben, dass die Schuldenbremse in den kommenden Jahren nicht eingehalten werden könne. „Um eine schnelle Erholung und einen verlässlichen Rahmen für Investitionen zu haben, ist es sinnvoll, die Sozialabgaben bis Ende 2023 zu stabilisieren und auch auf Steuererhöhungen zu verzichten“, argumentierte Braun. Solch eine Entscheidung zur Erholung der Wirtschaft bedeute erhebliche Belastungen für den Bundeshaushalt.

„Konkret: Die Schuldenbremse ist in den kommenden Jahren auch bei ansonsten strenger Ausgabendisziplin nicht einzuhalten“, schrieb Braun. In Deutschland gilt derzeit, dass der Bund nur in geringem Maße neue Kredite aufnehmen darf, nämlich maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Regel wurde wegen der Corona-Krise voriges Jahr außer Kraft gesetzt. Braun sprach sich mit Blick auf eine mögliche Abweichung von der Schuldenregel gegen „jährliche Einzelfallentscheidungen“ aus.

„Das ist seine persönliche Meinung“

Unionsfraktionsvize Jung lehnt die Debatte um die Schuldenbremse entschieden ab. „Da gibt es keine neue Positionierung”, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Konstanz unserer Zeitung. Auch der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, erteilte dem Vorstoß aus dem Kanzleramt eine klare Absage: „Die Unionsfraktion im Bundestag hält an der Schuldenbremse im Grundgesetz fest“, erklärte Rehberg. Solide Staatsfinanzen seien für die Unionsfraktion nicht verhandelbar. „Der Vorschlag von Kanzleramtschef Braun für eine Grundgesetzänderung zur Aussetzung der Schuldenbremse ist seine persönliche Meinung“, teilte Rehberg weiter mit.

Braun begründete seinen Vorstoß mit der großen Ungewissheit durch die Corona-Krise. Es sei völlig unklar, wie lange die Pandemie ein begründender Umstand sein könne, um die Schuldenbremse weiterhin auszusetzen. „Deshalb ist es sinnvoll, eine Erholungsstrategie für die Wirtschaft in Deutschland mit einer Grundgesetzänderung zu verbinden, die begrenzt für die kommenden Jahre einen verlässlichen degressiven Korridor für die Neuverschuldung vorsieht und ein klares Datum für die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenregel vorschreibt“, begründete Braun seinen Vorstoß.

Haushaltsexperte: Schuldenbremse hat sich bewährt

Die Unionsfraktion folgt dieser Argumentation nicht. „Die Schuldenbremse hat sich bewährt. Sie steht für Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit“, erklärte Rehberg. Ursache für die Eurokrise seien nicht zu wenige, sondern zu viele Schulden gewesen. „Es ist trügerisch, die aktuell niedrigen oder negativen Zinsen als dauerhaft anzunehmen“, warnte der Haushaltsexperte. „Hohe Schulden bedeuten bei wieder steigenden Zinsen hohe Risiken für zukünftige Haushalte.“