Bundesverfassungsgericht hat keine Einwände gegen Instrument zur Eindämmung der Staatsschuldenkrise

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Das Wort von Mario Draghi aus dem Krisenjahr 2012 hallt nach. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) kündigte an, die EZB werde „was auch immer nötig sei“ („whatever it takes“) unternehmen, um die Gemeinschaftswährung Euro zu schützen. Unter anderem war daran gedacht, dass die Bank in unbegrenzter Menge Staatsanleihen von Krisenstaaten aus dem Euroraum aufkauft. Dieses Programm, im Fachjargon „Outright Monetary Transactions“ (OMT – deutsch: direkte geldpolitische Geschäfte) genannt, hatte die EZB in einer Phase aufgelegt, in der Investoren auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise mit Italien und Spanien die Nummern drei und vier der Eurozone ins Visier nahmen. OMT wurde aber niemals angewandt, allein die Drohung Draghis beruhigte die Märkte wieder, die Zinsaufschläge gingen zurück.

 

Kritiker der EZB-Geschäfte zogen zu Zehntausenden vor Gericht

Und dennoch war OMT heftig umstritten, Kritiker wie der bayerische CSU-Politiker Peter Gauweiler zogen wegen der Rettungspolitik der EZB vor das Verfassungsgericht. Die Kläger werfen der EZB vor, mit dem Instrument ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Der Vorwurf: Die EZB werfe die Notenpresse an, sie betreibe monetäre Staatsfinanzierung. Dabei sind die Kompetenzen der EZB auf die Währungspolitik begrenzt. Aus dem Gang einzelner nach Karlsruhe wurde eine Massenklage: 37 000 Bundesbürger schlossen sich an.

Nun, dreieinhalb Jahre später, haben die obersten Richter Deutschlands grünes Licht gegeben – und die EZB-Politik bestätigt. „Nach Auffassung des Verfassungsgerichts verstößt die EZB mit der Maßnahme nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbankpresse“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle.

Das Draghi-Zitat aus 2012 war nämlich noch etwas länger: Die EZB unternehme alles („whatever it takes“) im Rahmen ihres Mandates („within the mandate of the EZB“), hatte der Italiener an der Spitze der Frankfurter Zentralbank hinzugefügt. Mit seinem Urteil hat Karlsruhe nun festgehalten, dass die EZB ihre Kompetenzen seinerzeit nicht überschritten hat. Allerdings: Die Verfassungsrichter ziehen auch Leitplanken ein.

Das Urteil verlangt, dass die Vorgaben, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Sache gemacht hat, eingehalten werden. Bei den Anleihenkäufen müsse das Volumen jeweils vorab begrenzt werden. Zudem müsse zwischen der Ausgabe der Papiere und dem Ankauf durch die Währungshüter eine Mindestfrist liegen. Es dürften außerdem nur Schuldtitel von Euroländern erworben werden, die Zugang zum Anleihenmarkt hätten.

Damit steht fest, dass sich auch die Bundesbank, die einen großen Anteil an der EZB hat, am umstrittenen Anleihenkaufprogramm hätte beteiligen können. Inzwischen rechnet indes kein Experte mehr damit, dass OMT angewandt wird. Im März hat die EZB stattdessen unter der Beteiligung der nationalen Notenbanken begonnen, mit einem neuen Programm im großen Maßstab Papiere auch von anderen Staaten und neuerdings auch Firmenanleihen zu kaufen, um den Gefahren einer Deflation entgegenzuwirken.

Obwohl das umstrittene OMT-Programm aktuell wenig Bedeutung hat, wurde das Karlsruher Urteil mit Spannung erwartet. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen wäre ein Veto der Verfassungsrichter kurz vor dem britischen Referendum ein Paukenschlag gewesen, den die EU-Gegner wohl für sich ausgeschlachtet hätten. Zum anderen ging es darum, ob das höchste deutsche Gericht dem höchsten europäischen Gericht, dem EuGH, widerspricht. Doch Karlsruhe stellt sich nun ausdrücklich hinter das Urteil, das die Europarichter aus Luxemburg in der Sache schon gefällt haben.

SPD und Grüne reagieren mit Erleichterung auf Urteil

Das Urteil aus Karlsruhe wird in der Öffentlichkeit überwiegend mit Erleichterung aufgenommen. Udo Bullmann, Chef der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, lobt: „Die deutschen Verfassungsrichter haben sich für ein stärkeres, weil gemeinsames Europa entschieden.“ Herbert Reul, der die Unionsabgeordneten im Europaparlament anführt, sagt: „Aus der Entscheidung geht die europäische Währungsunion gestärkt hervor.“ Reul freut sich, dass es keinen Dissens zwischen den Karlsruher und den Luxemburger Richtern gibt: „Die Übereinstimmung in den Bedingungen für die EZB-Unabhängigkeit ist wichtig für den Erfolg der Arbeit der Währungshüter in Frankfurt.“ Auch der Finanzexperte der Grünen, Sven Giegold, lobt die Entscheidung: „Das Urteil ist eine gute Nachricht für Europa. Kritik kommt von den Linken. Der Finanzexperte der Linken im Europaparlament, Fabio De Masi, hält das Urteil weder ökonomisch noch rechtlich für haltbar: Wegen der „Kürzungsdiktate“ lande das „billige Geld“ nicht in der realen Wirtschaft. Außerdem fordert er: „Die EZB muss endlich demokratisch kontrolliert werden.“