Die private Überschuldung in der Region Stuttgart steigt nach dem neuen Schuldneratlas zum vierten Mal in Folge an. In der Landeshauptstadt selbst ist mittlerweile fast jeder neunte Erwachsene überschuldet.

Stuttgart - Es ist gerade sieben Jahre her, da konnte sich Stuttgart noch damit brüsten, die Landeshauptstadt mit der geringsten Schuldnerquote zu sein. Diese Ära ist passé, wie die neuesten Zahlen der Gesellschaft Creditreform Stuttgart einmal mehr zeigen. Zum vierten Mal in Folge steigt die private Überschuldung in Stuttgart und der Region an. Der Vergleich von 15 Städten mit mehr als 400 000 Einwohnern macht klar: Baden-Württembergs Hauptstadt legte bei der Quote von 2004 bis 2014 am stärksten zu, nämlich um insgesamt 2,64 Prozentpunkte. Damit rangiert sie in dem Großstadtranking heute nur noch im Mittelfeld, auf Platz sieben.

 

Rund 183 700 erwachsene Menschen in der Region konnten laut Schuldneratlas 2014 ihre finanziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen, 5900 mehr als 2013. Im Verhältnis zur Gesamtzahl Erwachsener stieg die Quote auf 8,2 Prozent. „Es ist kein Erdrutsch, aber ein schleichender Anstieg“, sagte Creditreform-Geschäftsführer Thomas Schlegel. Von Überschuldung spricht man, wenn die zu leistenden Ausgaben höher sind als die Einnahmen.

Grafik: Im Norden ist der Anteil Überschuldeter am höchsten (für eine größere Ansicht klicken Sie auf die Grafik)

Stuttgart ist Schlusslicht in der Region

Stuttgart steht in der Region am schlechtesten da. Dort wuchs die Zahl Überschuldeter um 1640 auf rund 55 200. Ist dies im Vergleich zum Vorjahr schon ein Plus von drei Prozent, stieg die Zahl seit 2004 sogar um 14 000 oder 34 Prozent . Die Quote liegt jetzt bei 10,92 Prozent – 1,02 Punkte über dem Bundesschnitt. Den Negativrekord hält der Bezirk Mitte, wo jeder sechste Einwohner finanziell überfordert ist (18,04 Prozent). Es folgen Bad Cannstatt mit 14,65 Prozent und Wangen mit 14,32 Prozent. Besser sieht es in Birkach, Sillenbuch, Plieningen, Vaihingen und Degerloch mit knapp sieben Prozent aus.

In den anderen Kreisen der Region ist die Lage noch nicht ganz so dramatisch. Im Rems-Murr-Kreis sind 8,12 Prozent der Erwachsenen überschuldet, im Kreis Göppingen 8,04 Prozent. Es folgen der Kreis Ludwigsburg mit 7,79 Prozent, der Kreis Esslingen mit 7,45 Prozent und der Kreis Böblingen mit 6,85 Prozent.

Zunehmend trifft es auch jüngere Menschen

Grundsätzlich sind vergleichsweise mehr Menschen stark bis hoffnungslos überschuldet, während die Zahl weniger stark überschuldeter zurückging. Und wie sieht der klassische Schuldner aus? „Den gibt es nicht. Schuldner sind so verschieden wie alle Menschen“, machte Wolfgang Schrankenmüller, Leiter der Zentralen Schuldnerberatungsstelle Stuttgart, deutlich. Herausgefunden hat Creditreform jedoch, dass Männer etwa doppelt so häufig in die Schuldenfalle geraten wie Frauen. Zudem zeigte sich, dass viele Überschuldete „im besten Alter“ sind. Die 30- bis 39-Jährigen sind in der Region am häufigsten betroffen, in Stuttgart allerdings die 50- bis 59-Jährigen. Die Zahl der jung Verschuldeten steigt jedoch überdurchschnittlich. Arbeitslosigkeit und Trennung bleiben laut Creditreform die wichtigsten Ursachen für Überschuldung. Auch hohe Mieten, Energiekosten und Lebenshaltungskosten belasten die Geldbörsen, vor allem in den Städten. Spürbar zugenommen hätten in letzter Zeit Probleme durch Krankheit und durch zu viel Konsum. Schrankenmüller weist auf die Verlockungen des Internets hin. Mit „Ehrenamtlichen Finanzpaten an Stuttgarter Schulen“ wollen die Berater frühzeitig aufklären. Allerdings fehle eine Stelle, um alle freiwilligen Helfer zu schulen. „Die Nachfrage bei der Schuldnerberatung ist so groß, dass wir sie kaum bewältigen können.“