Zwei Schuldner- und Insolvenzberaterinnen auf der Filderebene berichten, wie sie Menschen helfen, die ihren Schuldenberg nicht mehr bewältigen können. Die Lösungen können ganz unterschiedlich sein.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Filder - Obwohl die Wirtschaft brummt, verschulden sich immer mehr Menschen. So geht es aus dem Schuldneratlas 2017 hervor, den die Creditreform Wirtschaftsforschung veröffentlicht hat. Dieser Trend gilt bundesweit, aber auch im Landkreis Esslingen. Demnach waren im Jahr 2004 in diesem Gebiet 26 000 Personen überschuldet, 2017 waren es mehr als 32 000 Menschen. Das entspricht einer Zunahme von fast einem Viertel. Der Kreisdiakonieverband Landkreis Esslingen bietet in Bernhausen eine kostenlose Beratung für Bürger aus Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt und Ostfildern an.

 

Wie geraten Menschen in die Schuldenfalle?

In den wenigsten Fällen ist übertriebener Konsum der Grund für unüberwindbare Schuldenberge. Die Hauptursachen sind Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung, Krankheit und immer häufiger auch prekäre Arbeitsverhältnisse, die sogenannte Einkommensarmut. „Es gibt viele Leute, die arbeiten, aber mit so einem niedrigen Einkommen nach Hause gehen, dass sie sich verschulden müssen, sobald etwas dazwischen kommt wie eine kaputte Waschmaschine“, sagt Daniela Hihn, die als Schuldner- und Insolvenzberaterin in Bernhausen arbeitet. Erschwerend hinzu komme bei vielen eine hohe Miete, ergänzt ihre Kollegin Liz Ehret aus Esslingen. „Wenn die Leute 60 Prozent des Einkommens für die Wohnung aufwenden, dann kommen sie nicht hin.“

Wer überschuldet sich am ehesten?

Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Der Großteil der Betroffenen ist alleinstehend. Die beiden Beraterinnen betonen, dass Menschen aller sozialen Schichten zu ihnen in die Sprechstunde kommen. Vom Alter her liegt der Schwerpunkt zwischen 30 und 60 Jahren, Daniela Hihn rechnet aber damit, dass künftig mehr Rentner von Überschuldung betroffen sein werden. „Das wird in den nächsten Jahren massiv zunehmen“, sagt sie mit Blick auf das sinkende Rentenniveau.

Wie hoch liegt im Durchschnitt die Summe der Verschuldung?

Auf den Fildern haben etwa ein Drittel der Verschuldeten eine Summe von weniger als 10 000 Euro zu begleichen. Knapp 60 Prozent haben eine offene Rechnung von unter 25 000 Euro.

Was ist der erste Schritt einer Schuldnerberatung?

Anfangs werden alle Unterlagen durchgeschaut und eine Übersicht über die Schulden, aber auch über Einnahmen und Ausgaben erstellt. „Zunächst geht es uns immer um die Existenzsicherung, das heißt, dass die Leute was zu essen, zu wohnen und zum Anziehen haben und ihre Psyche stabil ist“, erklärt Liz Ehret.

Bevor jemand seine Wohnung verliert, könne eine Mietschuldenübernahme als Darlehen beantragt werden. „Dann hat man die Schulden zwar an anderer Stelle, aber die Wohnung ist erst mal gesichert“, sagt Daniela Hihn. Eine neue Wohnung sei schließlich oft teurer – wenn überhaupt eine gefunden wird.

Anschließend schauen die Berater, ob es Gründe gibt, die zu der Verschuldung geführt haben – etwa Sucht oder psychische Probleme. Dann werden Betroffene zum sozialpsychiatrischen Dienst geschickt. Im nächsten Schritt prüfen die Berater, ob es eine Möglichkeit gibt, das Einkommen zu erhöhen. Helfen können etwa der Antrag auf Wohngeld und ein Kinderzuschlag, oder man kann ausbleibenden Unterhalt einfordern. Andersherum kommt es auch vor, dass zu viel Unterhalt gezahlt wird.

Was wird unternommen, um die Schulden loszuwerden?

„Wenn etwas Geld da ist, schauen wir, ob wir Ratenzahlungen vereinbaren können. Allerdings beachten wir, dass das Existenzminimum nicht angerührt wird“, sagt Daniela Hihn. Eventuell wird auch ein Insolvenzverfahren eingeleitet. „Es gibt aber kein Schema. Jeder Fall ist individuell“, betont Hihn, und ihre Kollegin ergänzt: „Manchmal gibt es auch keine Lösung.“

Wie läuft ein Verbraucherinsolvenzverfahren ab?

In der Regel dauert die Verbraucherinsolvenz sechs Jahre. „Wir versuchen, das Insolvenzverfahren erst einzuleiten, wenn die Leute in der Lage sind, mit ihrem Geld auszukommen und keine neuen Schulden machen“, sagt Ehret. Voraussetzung ist, dass alle Angaben wahrheitsgemäß gemacht und sämtliche Gläubiger angegeben werden. Alles Vermögen und pfändbare Dinge gehen an den Insolvenzverwalter. Dieser regelt den Schriftverkehr mit den Gläubigern und alle Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ruhen, was für die Betroffenen entlastend ist.

Nach den sechs Jahren werden die Restschulden erlassen, „dann gibt es einen neuen Start“, sagt Hihn. Nicht für jeden sei ein Insolvenzverfahren allerdings der richtige Weg. Häufig werde auch versucht, außergerichtliche Lösungen zu finden. „Es gibt auch Menschen, die sagen: Ich will meine Schulden bezahlen, auch wenn es zehn Jahre dauert“, sagt Ehret.