Manche, die zu ihm kommen, machen es Martin Pfrommer nicht leicht. Doch vielen kann er beim Weg aus den Schulden helfen: Der Rentner engagiert sich seit fünf Jahren als Schuldnerberater in Schorndorf.

Schorndorf - Wer mit Martin Pfrommer einen Termin vereinbart, der sieht rot. Zumindest, wenn er die Zahlen seines Kontoauszugs vor sich liegen hat. Und das in der Regel nicht erst seit ein paar Tagen: „Die meisten kommen aus Scham viel zu spät. Aber ob jemand 800 Euro oder 8000 Euro Schulden hat, das ist ein großer Unterschied. Bei 800 Euro würde es oft reichen, ein paar Monate Gas zu geben“, sagt Martin Pfrommer.

 

Der Schorndorfer kennt sich aus: Seit fünf Jahren engagiert sich Pfrommer dort als ehrenamtlicher Schuldnerberater. Zwischen 60 und 70 Erstgespräche führt er pro Jahr, die Menschen kommen nicht nur aus Schorndorf, sondern auch aus Welzheim, Alfdorf oder Remshalden zu ihm. „Und bei fast jedem Fall lerne ich etwas Neues dazu“, sagt Martin Pfrommer, der von den Ratsuchenden zwei Dinge einfordert: absolute Ehrlichkeit und den Willen, das eigene Verhalten zu ändern.

Shopping wenn die Gläubiger Schlange stehen

Das klappt nicht immer. Da gibt es diejenigen, die selbst dann noch im Internet auf Shoppingtour gehen, wenn die Gläubiger Schlange stehen. Und es gibt andere, die Martin Pfrommer direkt ins Gesicht lügen, die verborgenes Guthaben oder eine Spielsucht verschweigen. In solchen Fällen muss der Schuldnerberater den Menschen irgendwann die rote Karte zeigen. Bei anderen stellt sich bereits im Erstgespräch heraus, dass sie so hoch verschuldet sind, dass sie in die Privatinsolvenz gehen müssen.

In rund 40 Prozent der Fälle, so schätzt Martin Pfrommer, kann er aber wirklich helfen, kann er einen Weg aus den Schulden zeigen. Was ihn dazu befähigt? Martin Pfrommer kommt eigentlich aus einem ganz anderen Beruf, war viele Jahre lang Redakteur der Schorndorfer Lokalzeitung. Nach seinem Eintritt in die Rente hat er Fortbildungen für Schuldnerberater besucht und seinem Vorgänger über die Schulter geschaut. Er hat eine Mediationsausbildung, hat Wirtschaftswissenschaften studiert. „Und ich spiele seit vielen Jahren Schach. Das strategische Denken hilft mir dabei, Lösungen zu finden.“

Es ist sehr leicht, sich zu verschulden

Diese bestehen oft darin, dass Martin Pfrommer mit den Gläubigern in Kontakt tritt und versucht, Vergleiche auszuhandeln. „Ein arbeitsunfähiger Langzeitarbeitsloser wird seine Handyschulden nie bezahlen können, selbst wenn er wollte“, sagt Pfrommer, der gerade bei Telekommunikationsunternehmen oft auf Granit beißt: „Die sind gnadenlos.“ Auch mit Zahnärzten hat er schon schlechte Erfahrungen gemacht: „Da gibt es welche, die empfehlen Zusatzleistungen, obwohl derjenige kein Geld dafür hat.“

Wie kann es überhaupt so weit kommen, wie kann sich jemand nur so tief verschulden? „Einfache Antworten tragen nicht. Aber es ist sehr leicht, sich zu verschulden“, sagt Martin Pfrommer. Es gibt die, die mangels Wissen oder weil sie gewisse Statussymbole erhalten wollen, nicht mit ihrem Geld haushalten.

Tragische Schicksale

Aber oft genug sind es tragische Schicksale, die bei Martin Pfrommer zu Akten werden. Der Schorndorfer erzählt von einem syrischen Flüchtling, der drei teure Handyverträge abgeschlossen und die damit verbundenen hochwertigen Smartphones verkauft hat, „um seine Familie zu unterstützen, die noch auf einer griechischen Insel festsaß.“ Er erinnert sich an eine Rechtsanwaltsgehilfin, die 10 000 Euro für ein Gebiss aufnehmen musste – und das Darlehen nicht mehr zurückzahlen konnte, weil sie an Krebs erkrankte und nicht mehr arbeiten konnte. Und er berichtet von einem Selbstständigen, der weit über den 70. Geburtstag weiterarbeiten musste, weil die Rente nicht reichte – und der dennoch ständig den Dispokredit überzog. „Mit einem Wirtschaftsplan haben wir herausgefunden, wo er und seine Frau noch finanzielle Reserven haben“, sagt Pfrommer.

Zu ihm kommen viele, die sich dauerhaft in einer Grauzone bewegen, mit ihrem Einkommen unter der Pfändungsgrenze bleiben: „Diejenigen leben wirklich extrem bescheiden.“ Martin Pfrommer hat lernen müssen, sich die Schicksale nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen. Was ihn bewegt weiterzumachen? „Manchmal beginnt ein Gespräch sehr bedrückt, aber am Ende ist dann doch eine Perspektive da. Und das ist Dank genug.“

Wünschen würde sich der Schuldnerberater mehr Zeit, um den Ratsuchenden noch umfassender helfen zu können. Deswegen ist er froh, dass er mittlerweile einen zweiten Ehrenamtlichen an seiner Seite hat. Zudem arbeitet er eng mit der hauptamtlichen Schuldnerberaterin des Kreisdiakonieverbands in Schorndorf zusammen. Mit mehr Zeit möchte sich Martin Pfrommer beispielsweise um die Prävention kümmern: „Den Menschen zeigen, wie sie ein Haushaltsbuch führen, wie sie sich besser organisieren können.“