Beim Übergang der Viertklässler auf die weiterführenden Schulen gilt nur noch, was die Eltern sagen – für die Lehrer eine enorme Erleichterung.

Stuttgart - Grundschullehrerinnen haben zurzeit ein vergleichsweise entspanntes Berufsleben. Bis zum 17. Februar müssen sie mit den Eltern der Viertklässler Beratungsgespräche über die künftige Schullaufbahn der Kinder führen. „Früher gab es Druck und manchmal sogar Tränen, jetzt ist es eine echte Beratungssituation“, schildert beispielsweise Hartmut Markert, der Rektor der Grundschule Hechingen die aktuelle Lage. Auch im Remstal atmen die Pädagogen auf: „Alle Grundschullehrerinnen sind heilfroh, dass der Druck weg ist“, meldet Michael Gomolzig, der Rektor der Grund- und Hauptschule in Geradstetten.

 

Das liegt daran, dass die Grundschulempfehlung, die die Lehrer nach wie vor aussprechen, nun nicht mehr verbindlich ist. Nun haben die Eltern das letzte Wort. Sie können ihre Sprösslinge an einer weiterführenden Schule ihrer Wahl anmelden und müssen dort nicht einmal sagen, welche Schulart die Grundschullehrer empfohlen haben, geschweige denn Auskunft über die Noten der Kinder geben.

Beratung wird in Anspruch genommen

Vereinzelt haben Lehrerinnen den Eindruck, dass Eltern schon gar nicht mehr zum Beratungsgespräch erscheinen. Das bestätigen die Rektoren aber nicht. „Die Beratungsgespräche werden gut angenommen“, berichtet auch Gerhard Brand, der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) und selbst Rektor in Alfdorf.

Doch er und seine Kollegen mögen dem neuen Frieden noch gar nicht recht trauen. Zu harmonisch laufen die Gespräche ab, findet Brand. Zu einsichtig geben sich die Eltern. Noch äußern sich die Erziehungsberechtigten nicht dazu, was sie mit der Empfehlung der Grundschullehrer anfangen werden. „Zum Schwur kommt es am 28. und 29. März“, sagt Brand. Dann müssen die Eltern ihre Kinder an den weiterführenden Schulen anmelden. Wo sie das tun, „das steht auf einem ganz anderen Blatt“, meint auch Michael Gomolzig.

Viele Eltern wollen dem Rat der Lehrer folgen

Unabhängig vom Rat der Grundschullehrer können die Eltern ihre Kinder an der Schulart anmelden, die sie für die richtige halten. Das Kultusministerium traut den Eltern durchaus zu, dass sie im Sinne ihrer Kinder entscheiden. Viele Väter und Mütter lassen den Informationen eines Ministeriumssprechers nach erkennen, dass sie gewillt sind, dem Rat der Lehrer zu folgen. Nur in Einzelfällen würden sie auf eine andere als die empfohlene Schulart dringen. Gomolzig geht davon aus, dass noch weniger Viertklässler als bisher auf eine Werkrealschule wechseln werden, und er sieht die grün-rote Koalition in der Mitverantwortung: „Die neue Regierung liebt den Werkrealschulabschluss nicht mehr.“ Pessimisten unter den Hauptschullehrern orakeln bereits, spätestens in den achten Klassen hätten die Werkrealschulen wieder Zulauf. Dann kämen all diejenigen zurück, die es auf Realschule und Gymnasium doch nicht gepackt hätten. „Es ist die Frage, ob es dann die Hauptschule noch gibt“, sagt Gomolzig skeptisch. Das Kultusministerium erwartet dennoch keinen Ansturm auf die Realschulen. Allerdings rechnet man damit, den ein oder anderen zusätzlichen Zug an den 430 öffentlichen Realschulen des Landes einzurichten. Auch die Weitergabe der Empfehlungen sieht ein Ministeriumssprecher nicht so verbissen. „Wir gehen davon aus, dass die Eltern sie freiwillig vorzeigen“, sagt er. Zumal die Lehrer diese Information durchaus begrüßen würden.

Das wäre auch im Interesse der Kinder, meint Gerhard Brand. „Vom Kind aus gesehen, wäre es besser, man würde offener mit den Leistungen umgehen“. Fest steht aber, dass die Eltern die weiterführenden Schulen freiwillig darüber ins Bild setzen können, welche Schulart die Grundschule ihren Kindern empfohlen hat. Sie müssen es nicht. Auch dürfe das keinen Einfluss darauf haben, ob das Kind aufgenommen werde oder nicht, macht der Sprecher sehr deutlich. Jedoch haben die Eltern keinen Anspruch darauf, dass eine bestimmte Schule ihr Kind aufnimmt. Sie können lediglich die Schulart wählen. Wenn der Andrang an einzelnen Schulen zu groß ist, können diese Interessenten abweisen.