Bei der Digitalisierung in der Bildung geht es schleppend voran. Lehrer nutzen im Dienst ihre private Computer, sechs von zehn Schulen in Baden-Württemberg haben kein schnelles Internet.

Stuttgart - „Die digitale Ausstattung an den Schulen im Land hinkt dem gesellschaftlichen Wandel dramatisch hinterher.“ Dieses Fazit zieht Gerhard Brand, der Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), aus einer Umfrage unter Schulleitern. Das Forschungsinstitut Forsa hat im Auftrag des VBE von Januar bis März 1232 Schulleiter zur Digitalisierung befragt. „Die Ergebnisse zeigen, wie dringend die Investitionen des Bundes aber auch der Länder und Kommunen gebraucht werden“, sagte Brand bei der Präsentation am Montag. Mehr als ein Fünftel der Befragten sind aus Baden-Württemberg, damit liege eine repräsentative Stichprobe auch für das Land vor, so der VBE-Landesvorsitzende.

 

Der Südwesten liege in den meisten Bereichen etwa fünf Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Deutschlandweit haben der Umfrage zufolge ein Drittel der Schulen in allen Klassenzimmern Zugang zum schnellen Internet und Wlan. In Baden-Württemberg sieht es nur geringfügig besser aus: Vier von zehn Schulleitungen gaben an, ihre Schulen seien gut angeschlossen. Nachholbedarf gibt es auch bei der Ausstattung mit digitalen Endgeräten. In Baden-Württemberg gibt es an 37 Prozent der Schulen mindestens einen Klassensatz an Tablets und Smartphones für die Schüler. Doch habe sich seit 2014 einiges getan, betonte Brand. Damals seien es nur zwölf Prozent gewesen.

Es wird bis 2032 dauern, bis alle Schulen die Endgeräte haben

Wenn die Entwicklung aber in dem Tempo weitergeht, dann dauert es bis 2032 bis alle Schulen wenigstens einen Klassensatz digitaler Endgeräte haben, sagte Brand. „Das ist Digitalisierung im Schneckentempo.“ Schon jetzt werden an jeder fünften Schule die Geräte der Schüler für den Unterricht genutzt. „Das ist keine Methode, das ist ein Offenbarungseid“, klagte der VBE-Chef. Besonders schlecht ist die Ausstattung an den Grundschulen. Sie machen zwei Drittel der Befragten aus. An nicht einmal einem Viertel der Schulen gibt es für alle Lehrer Dienstcomputer, knapp 30 Prozent haben gar keine Computer für Lehrer. Das nennt Brand „eine mittlere Katastrophe“.

Brand fragt auch, wie „mit höchst sensiblen Daten wie Zeugnissen und Elterninformationen“ auf dem privaten Computer hantiert werden darf. Der VBE verlangt, dass die Geräte an den Schulen vom IT-Fachpersonal gewartet werden. Bisher ist das nur an 54 Prozent der Schulen der Fall, das sind jedoch immerhin 13 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. „Lehrer sollen bilden und erziehen, nicht schrauben und installieren“, sagt Brand. Verbesserungen machen die Schulleiter bei den Fortbildungen aus. Inzwischen könnten sich dreimal so viele Lehrer fortbilden wie 2014. Der Verband fordert, dass die Fortbildungen nicht am Wochenende und nicht in den Ferien stattfinden und Lehrer sich regelmäßig auf den neusten Stand bringen können. Dienst-PCs und dienstliche Emailadressen zählt der VBE ebenso zu den Mindestansprüchen.

Klagen kommen auch von Gewerkschaft und Arbeitgeberverband

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beklagt, dass etwa die Hälfte der Lehrer im Südwesten fast keine Erfahrungen mit dem Einsatz moderner Medien habe, bei den Grundschullehrern seien es sogar drei Viertel. Bei den Arbeitgebern stößt der Lehrerverband auf offene Ohren. „Die Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran. Wenn hier unser Bildungssystem hinterherhinkt, drohen wir den Anschluss zu verlieren“, warnt Stefan Küpper, der Geschäftsführer für Bildungsfragen beim Arbeitgeberverband Baden-Württemberg. Die Schulen würden „natürlich“ eine leistungsfähige IT-Infrastruktur benötigen. Genauso wichtig sei die Lehrerfortbildung „sowie die Stärkung digitaler Kompetenzen im Unterricht“. Küpper nennt dabei die Informatik und die Medienbildung.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), verspricht, „wir werden den Digitalpakt im Land mit den Kommunen zügig umsetzen.“ Sie betont, dass das Land den Schulen bereits im Juni 75 Millionen Euro zur Verfügung stellte. Weitere 75 Millionen sollen als Anschubfinanzierung folgen. In einer mit fünf Millionen Euro ausgestatteten „Qualifizierungsoffensive“ sollen jährlich etwa 50 000 Lehrkräfte fortgebildet werden.