Zwei Gerichte sehen einen unzulässigen Boykottaufruf, der Sozialminister ist „befremdet“: das Rote Kreuz im Südwesten gerät unter Druck, weil es Notfallsanitäter nur noch an seiner eigenen Schule ausbilden lassen will – trotz Engpässen dort.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) gerät in Baden-Württemberg wegen des Versuchs unter Druck, seine beherrschende Stellung im Rettungswesen weiter auszubauen. Mit einstweiligen Verfügungen haben die Landgerichte in Stuttgart und Mannheim eine Anweisung der Rotkreuz-Spitze gestoppt, Notfallsanitäter künftig nur noch an der DRK-Landesschule auszubilden. Sie werteten dies als Wettbewerbsverstoß und „unzulässigen Boykottaufruf“ gegen staatliche anerkannte private Schulen. Einer der beiden Betreiber hatte die Beschlüsse erwirkt, in denen dem DRK mit hohen Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft gedroht wird. Die beiden DRK-Landesverbände haben ihre Vorgabe an die für den Rettungsdienst zuständigen Kreisverbände daraufhin ausgesetzt, wollen sich aber weiter vor Gericht wehren.

 

Auch das Sozialministerium von Manfred Lucha (Grüne) reagierte „mit Befremden“ auf den Aufruf, die privaten Schulen zu boykottieren. Das DRK habe gegenüber dem Ressort „große Engpässe bei den eigenen Ausbilderkapazitäten beklagt“, erklärte ein Sprecher Luchas. Auf Antrag habe man daher befristete Erleichterungen gewährt. So dürften Klassen statt 23 vorübergehend bis zu 25 Schüler groß sein. Mögliche Qualitätseinbußen dadurch seien „gerade noch vertretbar“. Umgekehrt erwarte das Ministerium, dass „alle – auch außerhalb des DRK verfügbaren – Ausbildungskapazitäten im Land genutzt werden“. Man vertrete „den Grundsatz, dass Anbietervielfalt und fairer Wettbewerb in allen Bereichen positiv zu beurteilen sind“, ließ Lucha erklären.

Von Marktbeherrschung zum Monopol?

Geklagt hatte ein privater Schulträger aus Denkendorf namens „mobile medic – Lehrinstitut für Notfallmedizin“, der in Wendlingen und Bad Säckingen Notfallsanitäter ausbildet. Er warf dem DRK vor, seine marktbeherrschende Stellung zu einem Monopol ausbauen zu wollen. Jeglicher Wettbewerb solle ausgeschaltet werden, am Ende könnte das Rote Kreuz die Preise bestimmen – letztlich zu Lasten der Kostenträger. Interne Dokumente belegten, wie „aggressiv“ das DRK dabei vorgehen wolle. Die privaten Schulen hätten kaum noch eine Chance, monierte der Kläger. Neben mobile medic ist auch eine Schule namens pro medic in Karlsruhe betroffen.

Ein DRK-Sprecher sagte, man habe keine Vorbehalte gegen die Ausbildung an den privaten Schulen. Es sei jedoch „nur folgerichtig, sich der eigenen Einrichtung zu bedienen“. Dem Vorwurf, das Rote Kreuz missbrauche seine Marktmacht und strebe ein Monopol an, widersprach er: Dies treffe „nicht zu“. Das DRK hat seine Schulkapazitäten zuletzt massiv ausgebaut. Damit reagierte es auf die reformierte Ausbildung der Notfallsanitäter, die jetzt drei statt bisher zwei Jahre dauert; dies führte zu einer Personallücke. An Bewerbern mangelt es laut DRK nicht. Mehr als 300 Notfallsanitäter wollten an der Landesschule im Herbst ihre Ausbildung beginnen.