An der Schule im Kreis Ludwigsburg haben Jugendliche im Ramadan einen Rückzugsort. Die evangelische Kirche hat nichts dagegen, wünscht aber eine Gleichbehandlung.

Muslime müssen sich noch bis zum 21. April in strikter Enthaltsamkeit üben, tagsüber auf Speis und Trank verzichten. Wer in der Zeit des Ramadans zudem die innere Einkehr beim Gebet sucht, hat dazu nun auch als Jugendlicher an der Schule die Möglichkeit. Zumindest dann, wenn er oder sie das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) besucht. Dort werden nämlich erstmals zwei Rückzugsräume für heranwachsende Muslime angeboten.

 

Die Resonanz ist noch ungewiss

Der Impuls dazu war von Schülern dieser Religionsgemeinschaft ausgegangen, berichtet FSG-Chef Volker Müller. „Diesem Wunsch sind wir gerne nachgekommen“, betont er. Besonders gestaltet seien die Orte zur inneren Einkehr nicht, es handele sich um ganz normale Klassenzimmer, „die in der Mittagspause für den Rückzug zum Gebet bereitgestellt werden“. Es fehle leider „an Räumlichkeiten, die für solche Zwecke speziell zur Verfügung stehen und damit auch entsprechend eingerichtet werden können“. Wie viele Kinder und Jugendliche das Angebot nutzen, könne er noch nicht sagen. „Wir werden aber selbstverständlich eine Auswertung machen, um zu sehen, wie sich die Räumlichkeiten etabliert haben“, erklärt Müller.

Der Ramadan kann an der Schule aber nicht nur gelebt werden, sondern spielt auch im Unterricht eine Rolle. Der Fastenmonat werde in den Fächern Ethik und Religion thematisiert, berichtet Müller. Man nehme zudem im Sport darauf Rücksicht, wenn Jugendliche bis zum Anbruch des Abends kein Essen und Trinken zu sich nehmen. „Für uns ist der Ramadan Teil unserer Vielfalt an der Schule, die wir selbstverständlich unterstützen wollen“, hebt der Leiter des größten allgemeinbildenden Gymnasiums in Baden-Württemberg hervor.

Die Gebetszeiten variieren

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hält sich mit einer Beurteilung der Initiative in Marbach zurück, erinnert lediglich daran, dass es in vielen Schulen „längst Rückzugsräume für Anhänger jeglicher Religionen oder keiner Religionszugehörigkeit“ gebe. Zudem falle kaum eines der fünf Pflichtgebete im Islam in die Kernschulzeit. Das sei lediglich im Winter beim Mittagsgebet der Fall.

Dazu muss man wissen, dass sich die Zeiten für die religiöse Zwiesprache im Islam am Sonnenstand orientieren, also variieren. Aktuell müsste beispielsweise mittags grob gegen 13.30 Uhr Gott angerufen werden, im Januar oder Dezember dann früher.

Die Landeskirche begrüßt das Angebot

Dass solche Rituale nun auch am Marbacher FSG gepflegt werden können, begrüßt die Evangelische Landeskirche. „Wir gehen von dem Recht des Kindes auf Religion aus“, erklärt Pressesprecher Dan Peter. Insofern habe man nichts daran zu kritteln, wenn Jugendlichen zur Glaubenspflege an Schulen Räume zur Verfügung gestellt werden. „Laut Grundgesetz garantiert der Staat die ungestörte Religionsausübung. Wenn dazu feste Zeiten oder Riten gehören, die Kinder und Jugendliche nicht anders wahrnehmen können, sollte diese Ausübung, beziehungsweise Freiheitssphäre, soweit dies möglich ist und es die Rechte anderer nicht einschränkt, gewährleistet werden“, erläutert Peter. Wichtig sei aber, dass transparent bleibe, „was in diesen Räumen geschieht, vor allem, wenn es über das Gebet hinausgeht“.

Gleichbehandlung wird gefordert

Der Sprecher der Landeskirche in Württemberg hebt ferner hervor, dass dem Grundgesetz eine strikte Trennung zwischen Kirche und Staat nicht zu entnehmen sei. Ergo müsse die Bundesrepublik nicht jede Glaubensbetätigung in ihren Institutionen verbieten. „Aber der Staat darf auch keine Religion privilegieren“, betont Peter. Das Christentum schreibe zwar keine festen Gebetszeiten vor, seine Anhänger begingen jedoch zum Beispiel gerne einen „Übergang“ wie eine Einschulung mit einem Gottesdienst. „Mancherorts fragen junge Christinnen und Christen auch nach Möglichkeiten, einen Schülergebetskreis oder einen Schülerbibelkreis in schulischen Räumen zu gestalten. Da wünschen wir uns, dass dieses in gleicher Weise gewährt wird“, konstatiert der Kirchenrat.

Kein Anspruch auf eine Gebetsraum

Das Kultusministerium hebt ebenfalls hervor, dass Schulen nicht als Raum zu verstehen seien, der von religiöser Praxis freizuhalten wäre. „Grundsätzlich sind die öffentlichen Schulen dazu aufgerufen, Schülerinnen und Schülern die Religionsausübung im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben zu ermöglichen“, erklärt Pressesprecher Benedikt Reinhard. Ein Anspruch auf die Einrichtung von Gebetsräumen bestehe jedoch nicht. Wie viele Schulen zum Ramadan so einen Ort des Innehaltens im Portfolio haben, werde nicht erfasst.

Nicht dazu gehören auf jeden Fall das Ernst-Sigle-Gymnasium und die Philipp-Matthäus-Hahn-Gemeinschaftsschule in Kornwestheim. Weder von Schülern noch von Lehrern oder Eltern sei ein entsprechender Wunsch an die Leitungen herangetragen worden, berichtet Sandra Hennig, Pressesprecherin der Stadt Kornwestheim.

Fasten und Schule: passt das zusammen?

Verzicht
Der Ramadan ist der islamische Fastenmonat. Das heißt: Tagsüber dürfen Gläubige in der Regel tagsüber weder Essen noch Getränke noch Genussmittel zu sich nehmen. In diesem Jahr hat der Ramadan am 22. März begonnen. Er endet am 21. April. Erinnert wird mit dem Ramadan daran, dass in diesem neunten Monat des islamischen Mondkalenders der Koran herabgesandt worden sei.

Hinweis
Wollen auch Heranwachsende fasten, sei dies grundsätzlich von der Glaubensfreiheit gedeckt, erklärt das Kultusministerium. Die Schulleitungen seien aber angehalten, die Erziehungsberechtigten darauf hinzuweisen, „dass eine Gesundheitsgefährdung unbedingt vermieden werden sollte und die Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Schulveranstaltungen weiterhin besteht“. Die Schulen müssten allerdings auch auf körperliche Leistungseinschränkungen, Schwächeanfälle oder Konzentrationsstörungen „angemessen reagieren“, also beispielsweise darauf verzichten, dass die betreffenden Kinder im Sport an besonders anstrengenden Aktivitäten teilnehmen.