In diesen Tagen werden die Plätze für den neuen Studiengang „Lehrer Sekundarstufe eins“ vergeben. Im Herbst beginnen die ersten Studierenden. Die neue Lehrerbildung war lange umstritten, aber jetzt sind die Hochschulen Feuer und Flamme.

Stuttgart - Jetzt wird es konkret. Die Pädagogischen Hochschulen und die Universitäten verteilen in diesen Tagen die ersten Studienplätze für das neue Lehramtsstudium in Baden-Württemberg. Im Herbst werden die ersten Studenten anfangen mit dem Berufsziel Lehrer Sekundarstufe eins. Das ist dann nicht der vor zwei Jahren von CDU, FDP und Gymnasiallehrerverband gleichermaßen gefürchtete und verunglimpfte so genannte Einheitslehrer. Das gymnasiale Lehramt bleibt erhalten. Von Herbst an gibt es in Baden-Württemberg noch drei weitere Lehramtsstudiengänge: Ein Studium für angehende Grundschullehrer, eines für Sonderschullehrer und den Sekundarstufe-Eins Lehrer (für Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen).

 

Im Vergleich zu der Aufregung, die eine Expertenkommission vor zwei Jahren verursachte, als sie die Zusammenfassung der Lehrämter nach Altersgruppen vorschlug, ist die Reform nun recht geräuschlos umgesetzt worden. Hans-Jochen Schiewer, der Rektor der Universität Freiburg und Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, ist von der Reform überzeugt. „Wir erreichen mit Sicherheit eine bessere Lehrerbildung“, sagt Schiewer, ganz im Sinne der Wissenschaftsministerin und des Kultusministers. Gymnasiallehrer erlangen Schiewers Ansicht nach mehr Kompetenzen in den Bildungswissenschaften als früher. Alle anderen Lehrer gewinnen an fachlicher Qualität. Die Sorge verschiedener Interessenvertreter, im neu geordneten Studium könnte die Fachkompetenz besonders der angehenden Gymnasiallehrer leiden, entkräftet der Rektorensprecher entschieden: „Die fachliche Qualität der Gymnasiallehrer bleibt vollkommen erhalten“, sagt Schiewer. „Die Fachwissenschaft ist nicht um einen einzigen ECTS-Punkt reduziert“.

Master of Education

Vielmehr loben die Hochschulen die neue Struktur des Bachelor und Master. Lehrer kann nur werden, wer den Master of Education gemacht hat. Aber der vorausgehende Bachelor soll nicht nur für die Schule qualifizieren. Man sei breit aufgestellt, versucht Juliane Besters-Dilger, Prorektorin für Studium und Lehre an der Uni Freiburg, Zweifel zu zerstreuen und nennt etwa Verlage als Tätigkeitsfelder. Die Bachelor sollen auch die Möglichkeit bekommen, nicht den erziehungswissenschaftlichen Master zu machen sondern einen fachwissenschaftlichen. Allerdings könnte es dann mit den Qualifikationen knapp werden. Lehramtsstudenten müssen zwei Fächer studieren. Vermutlich müssten sie Fachseminare nachholen, wenn sie etwa in Physik einen fachwissenschaftlichen Master machen wollten, erwartet Besters-Dilger.

Andererseits ist der Rektor Schiewer stolz darauf, dass die Rektorenkonferenz durchgesetzet habe, dass der Lehramtsmaster für Fachbachelor geöffnet wird. Diese müssten dann jedoch in den Bildungswissenschaften nacharbeiten.

Astrid Beckmann, die Rektorin der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und Sprecherin der PH-Rektoren lobt, dass durch die Bachelor-/Masterstruktur die Übergänge zwischen den Lehrämtern einfacher würden. Da warnt allerdings Besters-Dilger vor zu großen Erwartungen. Sie bezweifelt, dass jemand der mit Bachelor für die Grundschule gestartet ist, einen Master für das Gymnasium machen kann. „Es ist nicht ausgeschlossen, aber in den Fachwissenschaften müssten die Studierenden sehr viel nachholen“, sagt sie.

Kein Angst vorm Verdrängungswettbewerb

Noch sind die Studienordnungen für die Masterstudiengänge nicht ausgearbeitet. die ersten beginnen auch erst in drei Jahren. Strittig ist noch, ob alle Bachelor einen Anspruch auf einen Masterplatz bekommen sollen. Astrid Beckmann spricht sich für die PHs dafür aus.„Jeder soll die Möglichkeit haben, Lehrer zu werden, der Lehrer werden möchte“. Die Unirektoren dagegen sind dafür, dass vor dem Masterstudium noch einmal überprüft wird, ob die Interessenten wirklich für die Schule geeignet sind. Für Schiewer ist schon jetzt klar: „Es gibt keine Garantie, dass Bachelorabsolventen am selben Standort den Master of Education machen können“.

Auch vom befürchteten Verdrängungswettbewerb zwischen Unis und Pädagogischen Hochschulen mag niemand mehr reden. Kooperation wird groß geschrieben. Die PH, die es als eigenständige Hochschulen nur in Baden-Württemberg gibt, gehen selbstbewusst und zuversichtlich an die neue Aufgabe heran. Astrid Beckmann sieht die PH in einer Schlüsselrolle. Die Fachdidaktik, die Lehre vom Unterrichten, und die Bildungswissenschaften gelten als die Domäne der PH. Die Universitäten exportieren ihren fachwissenschaftlichen Sachverstand. Fast alle Universitäten und PH setzen auf Kooperation. Nur die Uni Tübingen, die am meisten Gymnasiallehrer von allen neun Landesuniversitäten ausbildet, sucht einen eigenen Weg.

Zusammenarbeit zahlt sich aus

Besonders enge Zusammenarbeit hat sich bereits ausgezahlt. In Heidelberg und Freiburg machen PH und Universität in neuen Modellen gemeinsame Sache in der Lehrerausbildung. Freiburg erhielt dafür 6,8 Millionen Euro vom Bund, vom Land kommen 1,7 Millionen hinzu. Heidelberg erhält etwas mehr als sieben Millionen vom Bund. In Freiburg stärkt man mit dem Geld zum Beispiel die Fachdidaktiken an der örtlichen PH. Diese übernehmen auch die bildungswissenschaftliche Ausbildung der Freiburger Unistudenten. Zwei von sechs neuen Juniorprofessoren sollen sich der Inklusion widmen, mit der sich in Zukunft alle Lehramtsstudenten befassen müssen. Das wird ein Knackpunkt. „Die Inklusion und der Umgang mit zunehmender Heterogenität wird noch eine Weile eine große Herausforderung bleiben“, erwartet Astrid Beckmann von der PH Gmünd.

Allen Debatten zum Trotz erfreut sich das Lehramtsstudium ungebrochener Beliebtheit. „Die PHs sind so gefragt wie nie“, berichtet Astrid Beckmann aus dem laufenden Zulassungsverfahren. Allein im Grundschulbachelor kämen deutlich mehr als zehn Bewerber auf einen Platz.