Die Lehrer in Baden-Württemberg stellen den Reformen der Landesregierung in einer Umfrage ein schlechtes Zeugnis aus. Dennoch halten sie Veränderungen für notwendig.
Stuttgart - Die Stimmung an den Schulen in Baden-Württemberg ist schlecht. Das bestätigt jetzt eine Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). 3000 Lehrer aller Schularten haben sich laut Doro Moritz, der Landeschefin der GEW an der Online-Befragung beteiligt und ein düsteres Bild des Schulalltags gezeichnet. Die Lehrer fühlen sich demnach sehr stark belastet. Hauptursache ist der Zeitmangel (88Prozent) gefolgt von der Arbeitsbelastung (87 Prozent).
Die Lehrer sehen sich schlecht vorbereitet auf die Reformvorhaben der Landesregierung. Allen voran hapere es an der Vorbereitung für die Inklusion, den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen. Schlecht sieht es aber auch bei der Einstimmung auf die neue Schulart Gemeinschaftsschule aus. Dazu äußern sich Realschullehrer besonders skeptisch.
Wunsch nach kleineren Klassen
Das Klima an den Schulen könnte nach Einschätzung der Lehrer am ehesten durch kleinere Klassen verbessert werden, das trifft in erster Linie auf Lehrer an Gymnasien und Realschulen zu. Hilfreich wären individuelle Arbeitsplätze an den Schulen. Eine geregelte Krankheitsvertretung halten Grundschullehrer und Lehrer der Schularten der Sekundarstufe eins für eine entscheidende Verbesserungsmaßnahme.
Naturgemäß missfällt den Lehrern, dass die Regierung Stellenstreichungen plant, auch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit lehnen sie ab. Generell wird mehr Geld für Bildung gefordert. Doch Fragen der Besoldung werden als nachrangig eingestuft. Bei aller Kritik wachse die Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen, sagte Doro Moritz. So stehen die Lehrer aller Schularten zur regionalen Schulentwicklung, am Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung dagegen scheiden sich die Geister. Grundschullehrer und Lehrer der Gemeinschaftsschule halten sie für sehr wichtig, an Gymnasien und Realschulen wird die Bedeutung geringer eingeschätzt. Fehlende Ressourcen sowie schlechte Information und Vorbereitung schüren bei den Lehrern Angst und den Widerstand gegen Veränderungen, sagte Moritz. Dennoch machten die Lehrer keinen Dienst nach Vorschrift, allerdings würden sie häufiger krank.
Warnschuss für die Landesregierung
Die Ergebnisse der Befragung, die zwar nicht repräsentativ sei aber doch als solides Meinungsbild gelten könne, bewertet Moritz als letzten Warnschuss für die Landesregierung. Grün-Rot habe nun noch zwei Jahre Zeit „zu beweisen, dass sie es besser können“. Im einzelnen verlangt die GEW echte Perspektiven für Hauptschullehrer, deren Schulen wegen zu geringer Schülerzahlen geschlossen würden. Keine Alternative sei, sie an andere Hauptschulen zu versetzen, die über kurz oder lang auch zumachen müssten. Nötig seien Fortbildungen und Aufstiegschancen.
Bei Realschulen ist die größte Herausforderung, sie fit zu machen für den Umgang mit der unterschiedlichen Schülerschaft. Die Heterogenität an Realschulen ist laut Moritz größer als die an Gemeinschaftsschulen. Konkret fordert Moritz die Regierung auf, „endlich die geplante Streichung der 11 600 Lehrerstellen aufzugeben und gute Bildungspolitik zu machen“.
Kultusminister Andreas Stoch (SPD) kündigte als Reaktion den Ausbau der Lehrerfortbildung an. Ob das den Frust mildert, ist offen. In der Umfrage erhielten die Angebote des Ministeriums die schlechtesten Noten von allen Fortbildungen. Die Opposition frohlockt: Die Umfrage zeige, dass die Reformen auf dem Rücken der Lehrer ausgetragen würden, erklärt Georg Wacker (CDU). Es sei Zeit, die „ideologische Bildungspolitik endlich zu beenden“. Von der FDP sekundiert Timm Kern: „Die erschütternde Stimmungslage“ müsste für die Regierung Grund genug sein, ihre Bildungspolitik grundsätzlich zu überdenken.