An der Bad Cannstatter Schillerschule sind die Störungen durch übervorsichtige Eltern zurückgegangen – der Brandbrief des Rektors hat offenbar Wirkung gezeitigt. Nur das mit dem Laufbus funktioniert noch nicht.

Stuttgart - Nein, den neuen Film von Sönke Wortmann über Helikopter-Eltern („Frau Müller muss weg“) hat sich Ralf Hermann, der Leiter der Schillerschule in Bad Cannstatt, noch nicht angeschaut. „Grad jetzt nicht“, sagt der Rektor, der durch StZ-Berichte über seinen Brandbrief an Eltern, die den Schulbetrieb stören, bundesweite Aufmerksamkeit erfahren hat. Ungewollt.

 

Noch immer werde er täglich mit Mails bombardiert und habe Einladungen zu den Talkshows von Günter Jauch und Markus Lanz erhalten. „Alle wollen eine Stellungnahme.“ Doch Hermann sieht keine Notwendigkeit, in die Öffentlichkeit zu treten und Öl ins Feuer zu gießen. Er habe alle Einladungen abgelehnt.

„Wenn der Schulleiter schreibt, reicht das“

„Ich bin froh, wenn alles zur Ruhe kommt – die Eltern stören nicht mehr so wie vorher“, sagte er der StZ auf Anfrage. Diesen Effekt führt Hermann auf seinen Brandbrief vom November 2014 zurück – „da brauche ich keinen Markus Lanz oder Günter Jauch“, sagt der Rektor selbstbewusst. „Wenn der Schulleiter schreibt, reicht das.“

Den Brief hatte er an die Grundschuleltern adressiert, er war ohne Zutun des Rektors der StZ zugespielt worden. In dem Schreiben hatte er die Eltern in ungewöhnlich drastischen Worten aufgefordert, es doch künftig zu unterlassen, vor dem Schulhaus ein Parkchaos zu verursachen, den Kindern die Schulranzen bis ins Klassenzimmer zu tragen und durch laute Gespräche miteinander oder mit der Lehrerin oder durch Winken am Fenster den Unterricht zu stören.

Und nun? „Die Eltern warten mehr draußen, die Situation im Schulhaus hat sich verbessert“, sagt Hermann. Auch die Winkerei draußen vor den Klassenzimmern habe aufgehört. Und immer mehr Kinder kämen freudestrahlend in die Schule, stolz darüber, dass sie es geschafft hätten, allein samt Ranzen in den dritten Stock zu gelangen, ohne Eltern. Besonders die Eigenständigkeit der Kinder und Stärkung ihrer Persönlichkeit sind der Schule und Rektor Hermann wichtig. Gerade weil er dies durch die Überfürsorglichkeit vieler Eltern bedroht sah, hatte er jenen drastischen Brief geschrieben.

Nur der „Laufbus“ kommt nicht an

Bereits am Nikolaustag hätten viele Eltern signalisiert, ihn verstanden zu haben, berichtet Hermann. Auch würden diese jetzt Gesprächstermine mit dem Lehrer ausmachen, statt einfach in den Unterricht hineinzuplatzen. „Gelohnt hat sich’s schon“, meint der Rektor rückblickend.

Auch wenn das durch die StZ-Berichte ausgelöste große Echo via Telefon, Mails und Internet den Schulbetrieb ziemlich belastet habe. Von Seiten der Kollegen und der Schillerschul-Eltern seien die Rückmeldungen allerdings „überwiegend positiv“ gewesen. Und nun sei auch die Schulgemeinschaft froh über den Erfolg. „Ich will eigentlich überhaupt keine Verbotsschilder“, sagt Hermann, der Pädagoge. „Ich setze auf die Einsicht.“

Nur das Thema „Laufbus“ sei bisher noch nicht so richtig bei den Familien angekommen, viele Kinder würden immer noch mit dem Auto zur Schule gefahren. Die Polizei habe den „Laufbus“ zwar kurz vor Weihnachten wieder mit den Kindern trainiert – „aber das muss ja an die Eltern ran“, so der Rektor. Gemeint ist, dass ein Kind das nächste abholt und beide das dritte und vierte, und so weiter – am Anfang mit Begleitung durch die Eltern, aber eben zu Fuß.

Eltern reagieren positiv

Im Frühjahr, wenn die Temperaturen milder und der Morgen heller sei, werde man das Thema Schulweg noch einmal an den Elternabenden ansprechen. „Da müssen sich ein paar Eltern finden, die die Initiative ergreifen“, sagt Hermann. Das sei „ eigentlich nicht Aufgabe des Schulleiters“.

Heike Schneider, die Elternbeiratsvorsitzende der Schillerschule, will weitere Schritte erst noch mit allen Beteiligten besprechen. Doch auch sie ist froh, dass sich die Situation im Schulhaus entspannt habe „und dass die Lehrer in Ruhe arbeiten können“. Von den Eltern habe sie jedenfalls keine negativen Reaktionen mitbekommen. „Die Eltern haben die Regeln im Schulhaus aufgezeigt bekommen, und da halten sie sich jetzt dran.“ Es sei schon ein Thema, an vielen Schulen. Aber dass die Sache solche Kreise ziehen würde, habe sie nicht erwartet. Dass überregionale Magazine dabei Bad Cannstatt als privilegierten Ort beschrieben hätten, „das war krass“.

Schulamt will ermuntern, zu Fuß zur Schule zu gehen

Auch das Staatliche Schulamt reagiert auf die Vorfälle. Es plant nach den Osterferien eine stadtweite Aktionswoche „Wir gehen in die Schule“. Anlass seien die Vorfälle an der Schillerschule und anderen Schulen gewesen, erklärte die Amtsleiterin Ulrike Brittinger. Die Berichte darüber seien auch Thema in den Dienstbesprechungen der Schulleiter gewesen. „Es war wichtig, das Thema öffentlich zu diskutieren“, sagt die Schulamtsleiterin. Denn es habe das Thema ins Bewusstsein gebracht „und gezeigt, dass Eltern lernfähig sind und bereit, über ihr Verhalten nachzudenken“.

„Wir wollen Eltern deutlich machen, dass das Laufen zu Fuß eine enge Verbindung zum Lernen hat.“ Es gehe auch darum, offen für den Unterricht zu werden, so Brittinger. „Dazu können Eltern einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie die Kinder nicht bettwarm in die Schule bringen, sondern ihnen die Möglichkeit geben, fit und wach in der Schule anzukommen.“ Ulrich Haas, Fachberater für Verkehr und Mobilität beim Schulamt, koordiniert die Aktionswoche und plant auch zwei Bestandsaufnahmen darüber, wie viele Kinder in jeder Klasse gefahren werden oder selber laufen. „Ich möchte das messbar machen“, sagt Haas. Vor und nach der Woche.