Für die Schüler der Abschlussklassen steht viel auf dem Spiel. Sie wollen und sollen sich im normalen Schulbetrieb auf ihre Examen vorbereiten können. Die Kultusministerin will ihnen das trotz der Corona-Krise noch ermöglichen.

Stuttgart - Die mehr als 200 000 Prüflinge aller weiterführenden Schularten im Südwesten sollen bei der Öffnung der Schulen nach der Corona-Zwangspause Vorrang haben. Dies erklärte Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Dienstag: „Es macht Sinn, dass wir beim Wiedereinstieg mit den Schülern beginnen, die in diesem Jahr ihre Abschlussprüfungen schreiben, weil es natürlich wichtig ist, dass diese vorher noch ausreichend Präsenzunterricht zur Vorbereitung haben.“ Das gelte auch für die Schüler der beruflichen Schulen.

 

Grundschüler hätten jahrelang Zeit

Vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) gab es Zustimmung: Es sei wichtig, dass die Prüflinge einen guten Abschluss machen. Grundschüler hätten hingegen noch jahrelang Zeit, um Versäumnisse auszugleichen, erläuterte VBE-Sprecher Michael Gomolzig.

Das Kultusministerium hat den Beginn aller zentralen Abschlussprüfungen vom bislang vorgesehenen Termin nach den Osterferien auf die Zeit ab dem 18. Mai verlegt. Betroffen sind mehr als 200 000 Schüler, von 22 000 Hauptschülern über 30 000 Gymnasiasten bis hin zu 62 000 Prüflingen in der Dualen Ausbildung.

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Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina rät, den Schulbetrieb sobald wie möglich wieder anlaufen zu lassen - allerdings zunächst für jüngere Schüler, da Ältere Fernunterricht besser nutzen könnten. Das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) rät hingegen, die Schulen zuerst wieder für die höheren Jahrgänge zu öffnen - denn Jugendliche könnten Abstandsregeln besser einhalten.

Der RKI-Einschätzung schließt sich neben dem VBE auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an. Sie hält die Vorschläge der Leopoldina zur schrittweisen Öffnung der Grundschulen und Kitas für kaum praktikabel. „Da werden Pädagogen zu Polizisten gemacht, die nur damit beschäftigt sein werden, die Abstands- und Hygieneregeln für den Schutz vor Corona durchzusetzen“, sagte GEW-Landeschefin Doro Moritz. Gerade in den Pausen sei das für die Lehrer eine Mammutaufgabe.

„Für mich steht der Infektionsschutz für die Kinder und die Beschäftigten im Vordergrund“, betonte Moritz. Es sei nicht zu verstehen, dass die Leopoldina zuerst die Grundschüler zurück in die Klassen schicken wolle, also diejenigen, die den stärksten Bewegungsdrang hätten und diesen am wenigsten kontrollieren könnten.

Empfehlung der Leopoldina schwer umsetzbar

Der VBE-Sprecher Gomolzig pflichtete bei: „Die Kleinen toben und balgen sich - da mangelt es an Einsicht.“ Älteren Schülern könne man die notwendigen Verhaltensweisen besser vermitteln. Dies sei auch geboten vor dem Hintergrund, dass Lehrer eher zur Corona-Risikogruppe der älteren Menschen gehörten.

Für schwer umsetzbar hält Moritz auch die Empfehlung der Leopoldina, in Grundschulen müsse mit deutlich reduzierten Gruppengrößen von maximal 15 Schülern gestartet werden, um das Abstandsgebot besser einhalten zu können: Die Räumlichkeiten in Grundschulen, die nicht mit Gemeinschafts- oder Werkrealschulen verbunden sind, seien dafür nicht vorhanden.

Die Schulen erhalten nach der Entscheidung über das Datum des Wiedereinstiegs laut Eisenmann eine Woche Vorlauf. So könnten sie auch Vorkehrungen für unabdingbare Hygiene- und Abstandsregeln treffen.

Hygienebedingungen nicht optimal

Aus Sicht des VBE hapert es bei den Hygienebedingungen an den Schulen. Der Zustand der Toiletten lasse zu wünschen übrig. Seifenspender seien häufig leer, und in manchen Schule gebe es nur kaltes Wasser, so dass die Schüler die Hände nicht oder viel zu kurz wüschen. Auch Handtücher fehlten oft.

Eisenmann sprach sich dafür aus, bei den Grundschulen mit Klassenstufe 4 zu beginnen, um den Übergang auf die weiterführenden Schulen gut vorbereiten zu können. Die weiteren Entscheidungen in dieser Woche auf den Konferenzen der Ministerpräsidenten und der Kultusminister seien aber noch abzuwarten.

Die Berufsschullehrer forderten, dass die Schulen vor Ort entscheiden, wann sie wieder öffnen - abhängig davon, ob sie alle empfohlenen Schutzbedingungen erfüllen können. Der schrittweise Wiedereinstieg mit wenigen Gruppen sei der richtige Weg, so der Verband.

Der Landesverband der Kindertagespflege sprach sich im „Mannheimer Morgen“ und der „Heilbronner Stimme“ dafür aus, die Kitas bis zu den Sommerferien im Notbetrieb zu belassen.