Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann hat dem Gemeinderat eine Streichliste vorgelegt, auf der sich 18 der 32 Werkrealschulen wiederfinden. Der Gemeinderat entscheidet erst am 28. Februar über die Zukunft der Schulstandorte.

Stuttgart - Die Abstimmung mit den Füßen ist längst erfolgt. Nur noch 10,7 Prozent der Viertklässler sind in diesem Schuljahr auf die Werkrealschule gewechselt – im Vorjahr waren es noch 20,9 Prozent gewesen. Doch mit einstelligen Anmeldezahlen lässt sich bestenfalls eine Kombiklasse bilden – oder vielerorts eben gar keine fünfte Klasse mehr. Die Stadt reagiert nun auf die massiv veränderten Schülerströme und ordnet ihre Schullandschaft neu. Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann hat dem Gemeinderat eine mit dem Staatlichen Schulamt abgestimmte Streichliste vorgelegt, auf der sich 18 der 32 Werkrealschulen wiederfinden (einige sind de facto schon länger Auslaufmodelle). Die Entscheidung darüber wurde vom 31. Januar auf den 28. Februar verschoben, um den Beratungen in den Bezirken ausreichend Raum zu geben.

 

Der Hintergrund für die Streichliste: der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung hat nicht nur die Werkrealschulen weiter ausbluten lassen, sondern im Gegenzug den Realschulen und Gymnasien so große Zuwächse beschert, dass diese aus allen Nähten platzen. Sie könnten die Räume der Werkrealschulen gut brauchen. Da liegt es nahe, die Werkrealschulen auf einige Standorte zu konzentrieren, damit wenigstens diese zweizügig angeboten werden können. Als Kriterien für deren Auswahl nannte die Schulverwaltung unter anderem eine gute Erreichbarkeit sowie eine bedarfsgerechte regionale Verteilung der Standorte im Stadtgebiet.

Man kann darüber trefflich streiten, ob es bedarfsgerecht wäre, beispielsweise die Rosensteinschule hinter dem Nordbahnhof zu schließen und die Kinder von dort in die Falkertschule in den Westen zu schicken. Oder ob es angemessen wäre, die Heusteigschule im Süden mit aktuell 25 Fünftklässlern zur Streichung vorzuschlagen und die Lerchenrainschule, die derzeit nur eine Kombiklasse fünf/sechs hat, zur künftigen Schwerpunkt-Werkrealschule zu machen. Über diese Dinge wird dieser Tage in den Bezirksbeiräten beraten.

Letztendlich wird es auf ein Zweisäulenmodell hinauslaufen

Über deren Voten werden auch die Ratsfraktionen informiert. Ob der Gemeinderat der Empfehlung der Schulverwaltung folgen wird, genau diese 18 Standorte der Werkrealschulen zu schließen, lässt sich derzeit nicht einschätzen. Fest steht jedoch: sieben dieser 18 Standorte haben bereits seit diesem Schuljahr oder sogar früher schon keine Fünftklässler mehr aufgenommen, weil die Zahl der angemeldeten Schüler nicht ausreichte. Diese Schulen stellen wir in unserer Schulserie deshalb auch nicht vor. Alle anderen jedoch präsentieren wir in der üblichen Form. Dabei kennzeichnen wir diejenigen, die auf der Streichliste stehen, mit einem Sternchen. Ob diese Werkrealschulen im kommenden Jahr wieder Fünftklässler aufnehmen werden oder nicht, entscheidet verbindlich erst der Gemeinderat.

Es dürfte nicht der letzte Beschluss dieser Art gewesen sein. Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann hatte bei einer Informationsveranstaltung gesagt: „Es kann durchaus sein, dass wir in einem Jahr über zwei bis drei weitere Schulschließungen sprechen müssen.“ Insgesamt seien die Schülerzahlen in der Stadt Stuttgart in den nächsten acht bis zehn Jahren zwar stabil – im Gegensatz zum Land. Doch aufgrund der landespolitischen Vorhaben werde es zu weiteren Verschiebungen kommen. Letztendlich werde es auf ein Zweisäulenmodell hinauslaufen. „Eine Säule ist das Gymnasium, die zweite Säule soll die Gemeinschaftsschule sein.“

Zwölf Schulen wollen es der Elise-von-König-Schule nachtun

Doch mit der Letzteren tut man sich in der Landeshauptstadt noch etwas schwer, zumal es dafür bisher noch kein pädagogisches Rahmenkonzept gibt. Nur die Elise-von-König-Schule in Münster entwickelt und erprobt seit anderthalb Jahren neue Formen des Lernens (siehe Schulatlas am 11. Februar). Man kann davon ausgehen, dass die Gemeinschaftsschule im nächsten Schuljahr offiziell startet – das Kultusministerium will heute die Entscheidung mitteilen.

Mindestens zwölf weitere Stuttgarter Schulen, vor allem Werkrealschulen, würden es ihr gern nachtun. Allerdings brauchen sie noch Kollegen aus Realschule und Gymnasium, die bereit sind, mit einzusteigen. Und sie brauchen ein ausgearbeitetes Konzept, damit der Antrag beim Land gestellt werden kann.

Über kurz oder lang wird sich das Thema der Schulartwahl auf die Frage reduzieren, ob der schnelle und womöglich von humanistischem Profil geprägte Weg zum Abitur für das Kind der richtige ist oder der langsamere Weg über die Gemeinschaftsschule – zumindest als Option. Und wenn es statt des Abiturs dann doch nur die Mittlere Reife oder der Hauptschulabschluss werden, wird das in der Gemeinschaftsschule kein Beinbruch sein. Bis dahin ist es allerdings noch ein Weg – der Startschuss für die Pioniere ist aber gefallen.