Braucht Stuttgart Gemeinschaftsschulen - und wenn ja: wie viele und wo? Diese Frage spaltet den Gemeinderat. Eine Realschule auf dem Hallschlag wurde abgelehnt.  

Stuttgart - Braucht Stuttgart Gemeinschaftsschulen - und wenn ja: wie viele und wo? Um diese Fragen ist am Mittwoch bei der gemeinsamen Sitzung von Schulbeirat und Verwaltungsausschuss eine kontroverse Debatte entbrannt, die sich über vier Stunden hinzog. Anlass dafür war die Entscheidung über künftige Schulstandorte im Rahmen des Schulentwicklungsplans. Es handelt sich um ein telefonbuchdickes Werk, das vom externen Büro Gus entwickelt worden ist. Es unterzieht die allgemeinbildenden, städtischen Schulen einer Gesamtschau. Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann hat daraus Handlungsempfehlungen bis 2020 für alle Stadtbezirke abgeleitet - was dort zu unterschiedlichen Bewertungen geführt hatte.

 

Der Hintergrund: die Schullandschaft in Stuttgart hat sich in den letzten Jahren massiv verändert: 52 Prozent der Schüler besuchen ein Gymnasium, während die Hauptschulen in den letzten fünf Jahren ein Viertel ihrer Klientel verloren haben. Gleichbleibend hoch ist der Andrang auf die Realschulen, die viele Wechsler aus dem Gymnasium auffangen müssen und seit Jahren aus allen Nähten platzen. Hinzu komme, dass die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung den Zustrom auf Gymnasien und Realschulen weiter verstärken werde, so Eisenmann. Kurzum: "Wir schlagen zwei neue Gymnasialstandorte vor - einen in den Neckarvororten und einen in der Innenstadt."

Auf dem Hallschlag keine Realschule

Zudem sei ein neuer Realschulstandort erforderlich, und dafür schlage die Verwaltung die Altenburgschule auf dem Hallschlag vor, die bisher als Grund- und Werkrealschule arbeitet. Somit, so Eisenmann, könne auch dieser soziale Brennpunkt aufgewertet werden. Eine Gemeinschaftsschule könne sie sich allenfalls in der Elise-von-König-Schule in Münster vorstellen - allerdings frühestens 2013.

Das ist Grünen, SPD und SÖS/Linken zu wenig. Während die Verwaltung und die übrigen Fraktionen jegliche Alternativvorschläge zur Prüfung zuließen, führte das Fraktionstrio in Sachen Altenburgschule eine Kampfabstimmung herbei - und setzte gegen das Votum des Schulbeirats sowie der Verwaltung durch, dass der Hallschlag nicht als möglicher Realschulstandort geprüft wird, sondern ausschließlich als Standort für eine Gemeinschaftsschule. Somit ist, anders als von Eisenmann beabsichtigt, hier bereits eine klare Vorentscheidung gefallen. Die Bürgermeisterin hatte zuvor zu bedenken gegeben, dass entweder nur die Elise-von-König- oder die Altenburgschule Gemeinschaftsschule werden könne. Und: "Uns fehlen massiv Realschulstandorte."

Größere Bildungschancen für Kinder

Wie berichtet, wollen Grüne, SPD und SÖS/Linke sechs Standorte für Gemeinschaftsschulen prüfen lassen. Im Kern gehe es nicht um Schulbauten, sondern um ein pädagogisches Umdenken. Ziel seien größere Bildungschancen für die Kinder. "Sie denken immer noch in den alten, dreigliedrigen Strukturen", warf Vittorio Lazaridis (Grüne) der Bürgermeisterin vor - was diese mit Hinweis auf die von ihr vorgeschlagene Einbeziehung behinderter Schüler in Regelschulen (Inklusion) sowie moderner Ansätze für längeres gemeinsames Lernen (wie im Neckarpark geplant) zurückwies. Im Übrigen, so Eisenmann, "ist die Kommune nicht zuständig für Pädagogik".

Iris Ripsam (CDU) betonte: "Die CDU steht nicht für Gemeinschaftsschulen. Wir haben andere Vorstellungen von gemeinsamem Lernen." Zudem seien die Rahmenbedingungen für die Gemeinschaftsschule sowie der Übergang von dort ins Gymnasium unklar. Gleichwohl schlug die CDU vor, in Stammheim die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule zu prüfen. Ripsam: "Wir respektieren, dass es eine politische Mehrheit für Gemeinschaftsschulen gibt - und auch, wenn Schulen das machen wollen."

Die Schulentwicklung soll von unten kommen

Marita Gröger (SPD) riet, einstimmige "Neins" aus den Bezirken nicht zu übergehen. "Wir wollen, dass Schulentwicklung von unten kommen kann." Das will auch der Gesamtelternbeirat, der sich in die Entscheidungen "nicht so richtig einbezogen fühlt", so Sprecherin Sabine Wassmer.

Bis auf den Bereich Innenstadtschulen, deren Behandlung vertagt wurde, sind - mit Ausnahme der Altenburgschule - alle Handlungsempfehlungen und ergänzenden Vorschläge angenommen worden. So soll auch geprüft werden, ob die Albschule in Degerloch nur verkleinert wird, statt in der Filderschule aufzugehen. In Plieningen wird geprüft, ob die Körschtalschule Gemeinschaftsschule werden kann. Susanne Eisenmann wird diesbezüglich mit der privaten Bonhoeffer-Schule über eine Kooperation bei der Jugendhilfe sprechen.