Zum kommenden Schuljahr starten in Baden-Württemberg 62 Gemeinschaftsschulen, darunter acht Realschulen. Damit beträgt die Zahl der Gemeinschaftsschulen inzwischen 271 im Land.

Stuttgart - Im Schuljahr 2015/16 gehen 62 neue Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg an den Start. Darunter seien acht bisherige Realschulen, teilte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) am Montag in Stuttgart mit. Das Gros sind Haupt- und Werkrealschulen, von denen es derzeit noch rund 800 im Land gibt. Insgesamt steigt die Zahl der Gemeinschaftsschulen im vierten Jahr nach Einführung der Schulart damit auf 271, darunter kein Gymnasium und 26 frühere Realschulen, also nur knapp zehn Prozent. „Die Gemeinschaftsschule ist endgültig im Land Baden-Württemberg angekommen“, sagte dennoch Kultusminister Andreas Stoch (SPD) am Montag in Stuttgart.

 

Für die FDP im Landtag ist das geringe Interesse der Realschulen und das nicht vorhandene der Gymnasien ein Ausdruck für „das Scheitern des ideologisch festgezurrten Lieblingsprojekts von Grün-Rot“.

Eingegangen waren 76 Anträge, von denen acht zurückgezogen wurden. Von den 68 verbliebenen Anträgen waren sechs nicht erfolgreich. Kriterien für das Plazet sind das pädagogische Konzept sowie eine stabile Zweizügigkeit der Schule. Letztere wird im Rahmen der regionalen Schulentwicklung geprüft: Diese berücksichtigt, ob die erforderliche Schülerzahl von mindestens 40 in der Eingangsstufe aufgrund der regionalen Bevölkerungsstruktur und Schülerströme auch langfristig erreicht wird.

Plädoyer für neue Schulart

Der Tübinger Schulpädagoge Thorsten Bohl hat sich unterdessen für eine neue Schulart zwischen Real- und Gemeinschaftsschule im Südwesten ausgesprochen. Diese solle Merkmale der Gemeinschaftsschule haben, aber nicht alle übernehmen, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Von der achten Klasse an könnten etwa statt der Lerngruppen Kurssysteme eingeführt werden.

Dadurch sieht sich auch der Städtetag bestätigt. Denn der Verband fordert, dass die zweite Säule neben dem Gymnasium nicht gegen, sondern mit den Realschulen geschaffen werde. Ein Mittel dazu seien Schulverbünde aus beiden Schularten, weil sich unter deren Dach die Vorzüge beider Schularten vereinen lassen. Auch für solche Verbünde könnte aber der Zug bald abgefahren sein, weil die Realschulen mit Hauptschulabschluss künftig eine Alternative darstellten, sagte der Bildungsexperte des Verbands, Norbert Brugger.

Gymnasien fehlen

Das erneute Fehlen von Gymnasien unter den künftigen Gemeinschaftsschulen macht Stoch nach eigenen Worten „keine Sorgenfalten“. Denn auch die Gymnasien, auf die mehr als 44 Prozent aller Grundschüler wechseln, müssten sich mit den pädagogischen Konzepten der Gemeinschaftsschule auseinandersetzen. An Gymnasien werde das Spektrum der Fähigkeiten und Begabungen größer, sodass binnendifferenziertes Lehren und Lernen wichtiger werde, um die Schüler zum Abitur zu führen.

Die Gemeinschaftsschule ist ganz auf individuelle Förderung der Kinder ausgelegt, allerdings zieldifferenziert: Das heißt, dort ist eine Haupt-, ein Realschulabschluss und unter gewissen Umständen auch ein Gymnasialabschluss möglich. Der Weg zum Abitur über die Gemeinschaftsschule helfe auch, den Druck vom Gymnasium zu nehmen, betonte Stoch.

Der Bildungsexperte der CDU-Fraktion Georg Wacker betonte, nur knapp 10 Prozent der Kinder mit Gymnasialempfehlung besuchten eine Gemeinschaftsschule: „Auch wenn der Kultusminister es gerne anders hätte, entsprechend ihrer Entstehung setzt sich die Schülerschaft der Gemeinschaftsschulen zu über 60 Prozent aus Haupt-/Werkrealschülern zusammen.“

Stoch prognostizierte eine abflachende Kurve bei den Anträgen, die Zahl werde sich zwischen 50 und 60 Gemeinschaftsschulen im Jahr einpendeln, wobei die Dynamik auf dem Land größer sei als in Ballungsräumen. Für das Schuljahr 2013/14 waren mit 87 die meisten Genehmigungen erteilt worden.

Grün-Rot hat die neue Schulart eingeführt, in der Schüler aller Leistungsniveaus gemeinsam die Schulbank drücken. Ziel ist, den Bildungserfolg der Schüler von der sozialen Herkunft abzukoppeln.