In 15 Jahren Schulsozialarbeit am Bildungszentrum Weinstadt hat sich vieles geändert – vor allem durch die neuen Medien, weiß Gabi Weber, die sich fast ebenso lange schon um Sorgen und Nöte der Schüler kümmert.

Weinstadt - Streit oder Mobbing haben durch die Möglichkeiten der neuen Medien eine andere Qualität bekommen, sagt die Schulsozialarbeiterin Gabi Weber. Auch ihre Präventionsarbeit hat sich im Lauf der Jahre dadurch verändert.
Frau Weber, seit 15 Jahren gibt es Schulsozialarbeit am Bildungszentrum Weinstadt und Sie sind seit 14 Jahren dort tätig, also fast von Anfang an. Haben sich die Schüler in dieser Zeit verändert?
Ich weiß nicht, ob sich die Schüler verändert haben. Ich denke eher, dass sich die Gesellschaft verändert hat, und die Schüler damit umgehen müssen. So gibt es Dinge, die wir schon sehr lange durchziehen, etwa die Ausbildung von Schülern als Streitschlichter oder das Schülermultiplikatorenseminar, um über das Thema Sucht aufzuklären. Aber gerade was neue Medien angeht, sind dies Dinge, mit denen die Schüler jetzt neu umgehen müssen. Als ich im Jahr 2002 mit 25 Prozent im damaligen Jugendcafé und mit 25 Prozent als Schulsozialarbeiterin angefangen habe, gab es zwar schon Handys, aber noch keine Smartphones, durch die vieles anders geworden ist. Es liegt also nicht an den Kindern. Sie müssen sich vielmehr zwangsläufig ändern.
Wie haben die Kinder dies denn getan?
Sie sind vernetzter geworden. Das hat auch Vorteile. Interessant fand ich in dem Zusammenhang beispielsweise ein Multiplikatorenseminar, das ich im Haus Lutzenberg in Althütte mit Schülern hatte. Diese hatten natürlich alle auch ihre Smartphones dabei, mit denen sie in den Pausen Sachen gepostet haben und in Whatsapp-Gruppen gechattet sind, so dass ich das Gefühl hatte, dass auch viele andere auf diese Weise anwesend waren. Obwohl wir weit weg in Lutzenberg waren, wussten wir genau, was an der Schule abgeht. Aber es gehen auch manche Dinge durch die schnelle Erreichbarkeit verloren.
Was zum Beispiel?
Die Konzentration auf eine Sache etwa. Dass ich wirklich da bin und nur das eine mache.
Welche Rolle spielen die neuen Medien sonst noch, etwa soziale Netzwerke wie Facebook?
Facebook spielt keine große Rolle mehr. Jetzt ist Whatsapp angesagt. Früher war Streit direkt oder vielleicht hat man mal gemailt. Jetzt wird viel im Netz gestritten, in Gruppenchats. Jemand stellt dort etwas rein, das ein anderer gar nicht wollte, und dann beleidigt man sich über Whatsapp, oder es gibt Gruppenausschlüsse.
Da fallen Beleidigungen wahrscheinlich auch mal heftiger aus, da man sich ja nicht direkt gegenüber steht?
Ja, Beleidigungen sind dadurch anders. Aber Streitigkeiten sind auch verfolgbarer. Bei einer Streitschlichtung kann man genau sehen, wer was geschrieben hat, oder auch bei Mobbingprävention.
Apropos Mobbing. Vielfach hört man, dass Mobbing unter Schülern zunimmt. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Mobbing hat eine andere Qualität bekommen. Dadurch, dass vieles über das Netz läuft, bleiben Dinge, die früher nur an der Schule vorgefallen sind, heute nicht mehr nur dort. Kinder, die früher in der Schule gemobbt wurden, waren außerhalb, etwa im Sportverein, nicht davon betroffen. Heute strahlt Mobbing in viele Lebensbereiche hinein.
Wie haben sich all diese Veränderungen auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Früher hatten wir insgesamt 100 Prozent Schulsozialarbeit am Bildungszentrum, heute sind es 200. Dazu kommen 225 Prozent an den fünf Grundschulen in Weinstadt. An jeder ist je eine Kollegin zu 50 Prozent als Schulsozialarbeiterin tätig, bis auf Strümpfelbach, da sind es 25 Prozent. Dadurch, dass die Schulsozialarbeit so aufgestockt wurde, kann man anders arbeiten. Früher war der Hauptschwerpunkt am Bildungszentrum die Einzelfallberatung für Schüler, Lehrer und Eltern. Inzwischen gibt es viele Präventionsprojekte.
Sind die Schüler heute schwieriger, weil man nun mehr Schulsozialarbeit braucht, oder ist man nur sensibler gegenüber Problemen geworden?
Schulsozialarbeit kümmert sich um die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen an den Schulen. Der Bedarf war sicher schon früher vorhanden, nun kann er zumindest teilweise gedeckt werden. Die Kolleginnen an den Grundschulen machen vor allem Präventionsarbeit. Das ist sinnvoll, und wir merken es hier am Bildungszentrum auch und profitieren davon. Je früher es Prävention gibt, umso besser. Daher finde ich es sehr schade, wie Erzieherinnen im Kindergarten bezahlt werden. Denn das ist ein ganz wichtiger Job für unsere Gesellschaft.