An der Frage, wann welche Schulen geschlossen werden müssen, entzündet sich im Landtag eine heftige Debatte. Die Kultusministerin Warminski-Leitheußer bringt nicht immer Licht ins Dunkel.

Stuttgart - Die schulpolitische Debatte hat nichts an Schwung verloren. Erbittert haben die Fraktionen im Landtag gestern zum wiederholten Mal über die Schulentwicklungsplanung gestritten. Habhafte Ergebnisse gab es nicht. Eckpunkte für die regionale Schulentwicklung waren für diesen Monat erwartet worden. Die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) mochte sich gestern aber nicht auf Termine festlegen. In der kommenden Woche werde sie sich mit den Kommunalen Spitzenverbänden treffen, sagte sie. Eine Kabinettsvorlage werde es „in nicht allzuferner Zukunft“ geben.

 

Streit um Kriterien

Kriterien zumindest für neue Schulen haben sich in der Zwischenzeit herauskristallisiert. Die Ministerin sprach sogar von „klaren Eckpunkten“. Sie nannte erneut die Mindestgröße von 40 Schülern pro Jahrgangsstufe, wenn neue Schulen eingerichtet würden. Das sei „gar nichts neues“, auch stabile Zweizügigkeit wird erwartet, um „eine leistungsfähige und hochwertige Bildungsinfrastruktur zu schaffen“. Diese Kriterien sollen zugrunde gelegt werden, wenn neue Gemeinschaftsschulen genehmigt werden. Schon daran entzündet sich der Streit. Die Opposition verlangt, dass neue Schulen erst genehmigt werden, wenn die Kriterien zur Schulentwicklung gesetzlich verankert sind. Timm Kern, der Bildungsexperte der FDP, heizte die Stimmung im Landtag an. Die Regierung schaffe zunächst Fakten, indem sie die neuen Schulen genehmige, erst danach spreche sie über Schulentwicklung. „Das ist an Zynismus nicht zu überbieten“, rief Kern den Abgeordneten zu.

CDU verlangt Chancen für alle Schularten

Auch Georg Wacker, der schulpolitische Sprecher der CDU, hält die Vorgehensweise für verkehrt. Er rechnete vor, dass von den 44 für das aktuelle Schuljahr genehmigten Gemeinschaftsschulen etwa 20 die jetzt propagierte Mindestgröße von 40 Schülern pro Jahrgang nicht erreichten. „Werden die wieder dicht gemacht?“ fragt Wacker. Wenn nicht, dann erwarte er, dass die Ministerin „bei anderen Schularten nachgibt“. Er verlangte unter dem Beifall seiner Fraktion „Entwicklungschancen für alle Schularten“.

Überhaupt präsentierte sich die CDU als Fürsprecherin der Schulen im ländlichen Raum. Was denn sei mit bestehenden Schulen, die gut arbeiten würden, aber eben klein seien, wollte unter anderem der CDU-Fraktionschef Peter Hauk wissen. Da blieb die Ministerin im Ungefähren. „Wir werden das konstruktiv lösen und individuell mit den Beteiligten vor Ort über die Standorte entscheiden.“

Grüne und SPD sprechen auch für den ländlichen Raum

Doch auch die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD sehen sich als Bewahrer der Schulen im ländlichen Raum. Besonders die Grünen taten sich hervor. Ihre Schulpolitikerin Sandra Boser berief sich auf ein zwei Jahre altes Gutachten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und warnte, „wenn es beim gegliederten Schulsystem bleibt, können nur ein Viertel der Schulstandorte erhalten werden“. Werde das von der Koalition bevorzugte sogenannte Zwei-Säulen-Modell, umgesetzt, seien es 50 Prozent. „Regionale Schulentwicklung ist eine Chance für den ländlichen Raum“, betonte Boser.

Die zwei Säulen sind die nächste offene Frage. Eine Säule ist das Gymnasium. Dazu bekannte sich die Ministerin in der turbulenten Debatte eindeutig. „Ich halte die Gymnasien für gute Schulen.“ Sie bat auch die Opposition „herzlich, diesen ideologischen Zungenschlag aus der Debatte herauszunehmen“. CDU und FDP hatten Grün-Rot mehrfach vorgeworfen, die Regierung wolle das Gymnasium unterlaufen und strebe im Grunde nach nur einer Säule.

Wird die Realschule abgeschafft?

Wie genau sich aber die zweite Säule zusammensetzt, wurde in der Diskussion nicht geklärt. Wolle sie denn die Realschule abschaffen, fragte aufgeregt die Opposition. Werden Verbünde zwischen Realschulen und Hauptschulen auf Dauer genehmigt? Da stand Warminski-Leitheußer zumindest rhetorisch neben sich. „Die ganz klare Antwort der Ministerin lautet, auch Verbundschulen sind als Entwicklungsschritte zur Gemeinschaftsschule möglich“, sagte die Ministerin. Sie gelten jedoch als Übergangslösungen, das sei „denknotwendig“.

Ausgerechnet von den Christdemokraten mochten sich Grüne und SPD nicht drängen lassen. „Ihre letzte Schulentwicklungsplanung liegt 40 Jahre zurück“, konterte Stefan Fulst-Blei, der neue bildungspolitische Hoffnungsträger der SPD die Vorwürfe von Peter Hauk. Die CDU bleibe ihrer „Panikpolitik treu“. Bayern und Baden-Württemberg sind nach den Worten der Kultusministerin die einzigen Bundesländer ohne entsprechende Pläne.