Die beiden Bürgermeister Uwe Bossert (Spiegelberg) und Christoph Jäger (Großerlach) haben beim Urnengang keine Konkurrenz. Im Interview sprechen sie über Wahlen ohne Auswahl, die Probleme kleiner Kommunen, über Rockmusik und den VfB, sie ziehen Bilanz und blicken voraus.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)
Spiegelberg/Großerlach - Beide machen keinen Hehl daraus, dass sie nicht unglücklich sind über die fehlende Konkurrenz. Der Bürgermeister von Spiegelberg, Uwe Bossert, und sein Großerlacher Amtskollege Christoph Jäger sagen, sie hätten momentan kaum Zeit für einen aufreibenden Wahlkampf. Zum Thema Nummer eins, dem Zustrom der vielen Flüchtlinge betonen beide Bürgermeister: Wir können das schaffen –noch. In Großerlach wird am Sonntag, 31. Januar, gewählt, in Spiegelberg eine Woche später, am 7. Februar.
Herr Bossert, Herr Jäger, Sie haben bei den Bürgermeisterwahlen in Großerlach und in Spiegelberg beide nicht einen Gegenkandidaten. Das spricht wofür?
Jäger: Gute Arbeit des Amtsinhabers und ein gutes Miteinander mit dem Gemeinderat und den Bürgern. Wenn aktiv nach einem Gegenkandidaten gesucht wird, dann gibt es dafür oft einen guten Grund. Bei uns beiden ist das wohl nicht der Fall. Wir haben offenbar keine allzugroßen Fehler gemacht.
Bossert: Das spricht für solide Arbeit, gutes Miteinander, konstruktives und sachorientiertes Arbeiten – das sind wohl die Gründe dafür, dass es keine Gegenkandidaten gibt. An der Attraktivität der Gemeinden liegt es ganz bestimmt nicht.
Hätten Sie gerne Gegenkandidaten? Oder ist die Sache so angenehmer?
Bossert: Ganz ehrlich, lieber nicht. Wir stemmen zurzeit so viele Projekte, die kleinen Gemeinden sind ja bekanntlich personell nicht so gut bestellt. Mit Gegenkandidaten müsste ich Wahlkampf machen, das wäre zeitintensiv und würde zu Lasten der Arbeit für die Gemeinde gehen.
Es ist als Einzelkämpfer also einfacher.
Jäger: Ja. Ich beantworte die Frage wie der Kollege. Ein Gegenkandidat hätte einen riesigen Vorteil. Ich hätte schlicht keine Zeit, intensiv Wahlkampf zu machen.
Die Wahlbeteiligung ist die einzige Kennziffer, die Sie noch beeinflussen können. Mit welchem Wert wären Sie einigermaßen zufrieden?
Bossert: Ich wünsche mir 40 Prozent plus X.
Jäger: Ich erhoffe das Gleiche.
Machen Sie denn überhaupt Wahlkampf? Ein Kampf ohne Gegner ist doch langweilig, oder?
Jäger: Ich mache Wahlveranstaltungen, nenne die Termine aber Einladungen zum kommunalpolitischen Gespräch. Solche Angebote sollte man machen. Die Bürger sehen: Sie können kommen. Man kämpft tatsächlich für eine gute Wahlbeteiligung – nicht nur für sich selber, auch für die Gemeinde. Eine gute Beteiligung stärkt den Bürgermeister, zum Beispiel, wenn es darum geht, Zuschüsse vom Land zu bekommen.
Bossert: Ich biete auch Bürgergespräche an, selbst in den kleinen Ortsteilen kommen 30 bis 40 Leute. Außerdem lade ich ein zu einem kommunalpolitischen Spaziergang vor der Wahl.
Zieht es Sie nicht weg? Nie überlegt, mal in einer größere Stadt zu kandidieren?
Bossert: Ich bin bodenständig, ich hab noch nie vor gehabt, das Bürgermeisteramt als Sprungbrett zu nutzen. Ich will hier die Arbeit fortführen, die Infrastruktur erhalten und ausbauen.
Jäger: Als ich im Jahr 2000 hier erstmals angetreten bin, da gab es schon die Befürchtung bei vielen Bürgern und im Gemeinderat, dass ich nicht lange bleibe. Damals habe ich schon gesagt: entscheidend ist für mich und meine Familie, dass wir uns wohl fühlen. Ich fühle mich wohl in Großerlach, deshalb gibt es keinen Grund, aktiv nach einer Alternative zu suchen.
Anfragen hatten Sie doch ganz bestimmt schon, oder?
Jäger: Ja.
Bossert: Immer mal wieder.
Anfragen von wem?
Jäger: Ich habe aktuell wieder eine Anfrage. Aber ich sage nicht von wem. Wer Zeitung liest, der weiß auch: Ich bin als potenzieller Landratskandidat gehandelt worden. Das wäre sicher eine reizvolle Aufgabe gewesen. Aber ich bin nicht der Typ, der die Karriere über das Persönliche stellt. Das Umfeld ist mir immens wichtig. Ich muss mich wohlfühlen.
Ist ein Wechsel – wann auch immer – ausgeschlossen?
Jäger: Garantie gibt es keine.
Bossert: Was irgendwann mal passiert, das weiß man nicht.
Jäger: Es kann ja sein, dass mal ein Angebot kommt, bei dem jeder vernünftige Mensch sagt: Da wärst du ja wirklich bescheuert, wenn du das nicht machst.
Wenn Sie für ein Jahr den Job wechseln könnten, mit Rückkehrgarantie: Mit wem würden Sie gerne mal tauschen?
Jäger: Ganz klar, dann würde ich mal Berufsmusiker.
Bossert: Und ich würde ein Jahr lang den VfB Stuttgart trainieren.
Was ist der Reiz in der Provinz, die Herausforderung als Bürgermeister in einer kleinen, vergleichsweise armen Gemeinde jwd?
Bossert: Ganz einfach, wir versuchen, mit den vorhandenen wenigen Mitteln, das Beste zu erreichen. Wir sind sehr nah an den Bürgern dran. Es macht Spaß, mit Ehrenamtlichen zusammenzuarbeiten und Projekte umzusetzen.
Jäger: Die Nähe zu den Menschen ist direkter als in einer größeren Stadt. Wir sind ganz nah dran an den Themen, haben keine Hoch- oder Tiefbauamtsleiter. Das sind wir alles in Personalunion. Es gibt nicht viele Berufe, in denen man so viel lernt. Ich könnte fast einen Kanal planen. Ich habe zusammen mit Studenten den Gerenationenpark gebaut, bin im Bagger gesessen. Wir sind immer Teil des Ganzen.
Bossert: Was manchmal anstrengend ist.
Jäger: Man ist für alles im Ort verantwortlich, manchmal auch an allem schuld.
Eins der drängendsten Themen in allen Kommunen ist derzeit der Zustrom von Flüchtlingen und deren Unterbringung. Um mit der Kanzlerin zu fragen: Schaffen Sie das? Und wenn ja: wie?
Jäger: Ich würde eher sagen, wir als Gesellschaft können das schaffen. Vor allem weil wir vor Ort viele Ehrenamtliche haben, die von null auf hundert ein Netzwerk aufgebaut haben. Ganz toll. Es gab vorher keinerlei Strukturen für die Flüchtlingsarbeit. Aber wenn es so weiter geht, wenn weiter so viele Menschen zu uns kommen, dann wird das nicht mehr zu schaffen sein.
Bossert: Aktuell schaffen wir es, dank der Ehrenamtlichen. Wenn der Zustrom so anhält, dann habe ich aber gewisse Zweifel.
Gibt es vor Ort eine bezifferbare Grenze? Wie viele Flüchtlinge können in Spiegelberg, in Großerlach untergebracht werden?
Bossert: Zurzeit sind 30 Plätze belegt. Die Integration insbesondere der syrischen Familien funktioniert sehr gut, aber nur dank der Helfer, die auch die Sprache sprechen. Wir werden bis Mitte des Jahres 60 bis 80 Plätze haben. Dann brauchen wir Personal, Sozialarbeiter. Derzeit widmet sich mein Hauptamtsleiter in knapp der Hälfte seiner Arbeitszeit dem Thema.
Jäger: Das ist das riesen Problem. Die kleinen Gemeinden haben ohnehin schon zu wenig Personal, stehen so schon mit dem Rücken zur Wand. Und jetzt kommt das Thema Flüchtlinge noch oben drauf. Es ist die Aufgabe des Landes, die Flüchtlinge zu betreuen.
Und die Grenze?
Jäger: Da kann ich spontan nur antworten: kommt darauf an. Es hängt nicht zuletzt auch von dem Integrationswillen und von der Integrationsbereitschaft der Flüchtlinge ab und davon, was zum Beispiel der Wohnungsmarkt und der Arbeitsmarkt hergeben.
Bitte eine ganz kurze Bilanz Ihrer Arbeit, was haben Sie erreicht?
Bossert: Die Aufnahme ins Landessanierungsprogramm, die Gestaltung des Kirchplatzes, das privat finanzierte Pflegeheim und die vielen Projekte in den kleinen Ortsteilen, die über das Landesentwicklungsprogramm umgesetzt werden konnten.
Jäger: Das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum ist für uns immens wichtig, wir sind mit allen Teilorten drinnen. Der lang ersehnte Neubau der Gemeindehalle. Das Modellprojekt zur Anbindung an das schnelle Internet über Richtfunk, wir waren vielen anderen Kommunen einen Schritt voraus. Die Umsetzung der Trinkwasserkonzeption, wir werden jetzt einen Hochbehälter bauen, ein Zwei-Millionen-Projekt.
Bossert: In beiden Kommunen wurde die Kleinkindbetreuung massiv ausgebaut.
Jäger: Die Zeiten haben sich auch auf dem Land stark gewandelt. Kinderbetreuung ist bei uns gefragt, von morgens bis abends.
Welches ist das bedeutendste lokale Thema im Ort für die nächsten acht Jahre?
Jäger: Der weitere Breitbandausbau für schnelles Internet. Das Thema Abwasser inklusive Kläranlage, Neubau oder Sanierung. Wir müssen Brachflächen vernünftig nutzen.
Bossert: Die Neukonzeption der Eigenwasserversorgung. Der Erhalt der ärztlichen Versorgung im Ort. Der Bau der Sportanlage bei der Schule. Beide Gemeinden haben tolle Angebote für Touristen: den Skilift in Großerlach, den Bikemarathon in Spiegelberg. Diese Möglichkeiten für die Naherholung sollen ausgebaut werden.
Sie könnten ja schon jetzt den Wahlsieg feiern – wissen Sie schon wie und wo am Wahlabend gefeiert wird?
Bossert: Wo gefeiert wird, das entscheidet doch der Gemeinderat. In Spiegelberg wird das Ergebnis im Feuerwehrgerätehaus bekannt gegeben, vermutlich mit einer Kleinigkeit zu trinken und mit Häppchen.
Jäger: Bei uns ist das ähnlich, wird sind in der Gemeindehalle.
Keine rauschende Party?
Jäger: Nein, wir sind kleine und bescheidene ländliche Gemeinden, gell Uwe.