Die verpflichtende Vorlage der Grundschulempfehlung scheint Wirkung zu zeitigen – zumindest in Stuttgart. Deutlich weniger Eltern als bisher haben ihre Kinder ohne passende Empfehlung am Gymnasium angemeldet. Und es gibt eine Lösung für Schulwechsler.

Stuttgart - Bei der Anmeldung für das kommende Schuljahr haben deutlich weniger Eltern als bisher ihre Kinder ohne eine entsprechende Empfehlung an Gymnasien angemeldet. Das berichtete der geschäftsführende Leiter der Stuttgarter Gymnasien, Holger zur Hausen, unserer Zeitung auf Anfrage. Statt 15,5 Prozent wie im Schuljahr 2016/17 mache diese Gruppe nur noch rund zehn Prozent aus, wie eine Besprechung der Stuttgarter Schulleiter ergeben habe. Zur Hausen führt dies nicht nur auf die Grundschulempfehlung zurück, deren Vorlage erstmals wieder verpflichtend ist, sondern auch auf die Beratungsgespräche, die einige Schulleiter an Gymnasien mit den Eltern geführt hätten, wenn deren Kinder keine Empfehlung fürs Gymnasium hatten.

 

„Ein großer Teil der Eltern war beratungsoffen“, berichtet zur Hausen, der auch der Leiter des Zeppelin-Gymnasiums im Stuttgarter Osten ist. Oft hätten die Eltern schlüssige Argumente geliefert, weshalb sie ihr Kind trotz anderer Empfehlung am Gymnasium anmelden wollten. „Viele Eltern haben außer der Grundschulempfehlung auch Zeugnisse und Arbeiten mitgebracht, obwohl sie das nicht gemusst hätten“, berichtet der Pädagoge. Es sei „gut, dass man beraten darf – denn wie knapp oder wie deutlich die Empfehlung ist, bekommt man erst durch diese Beratung heraus“. In manchen Fällen könne man den Eltern auch verständlich machen: „Tun Sie das bitte nicht.“

Viele Eltern wissen nicht, dass es noch andere Wege zur Studierfähigkeit gibt

Vielen Eltern seien jedoch die vielfältigen Möglichkeiten, an eine Studierfähigkeit zu kommen, nicht bewusst, berichtet zur Hausen. So habe eine Mutter ihr Kind, das noch verspielt sei und „noch nicht die gymnasiale Organisationsreife“ habe, partout aufs Gymnasium schicken wollen. Ihr empfahl der Schulleiter, das Kind doch erst mal an der Realschule anzumelden und später dann am sechsjährigen Gymnasium. Die Mutter sei dankbar für den Hinweis gewesen und dem Rat tatsächlich gefolgt.

Insgesamt sei das Thema der Schulscheiterer allerdings noch nicht vom Tisch. „Es werden sich fünf bis sechs Prozent der am Gymnasium angemeldeten Kinder dort absehbar schwertun“, so zur Hausen. Bereits zum Schuljahr 2017/18 hatten 328 Kinder in Stuttgart das Gymnasium wegen ungenügender Leistungen wieder verlassen müssen. Doch auch im aktuellen Schuljahr liefen bereits zum Halbjahr an vielen Realschulen die Telefone heiß, weil Eltern sowie Gymnasialleiter für überforderte Kinder nach Alternativen suchten. Für etliche habe man nun doch noch einen Platz gefunden, zumindest für das nächste Schuljahr, berichtet zur Hausen. Laut Barbara Koterbicki, der geschäftsführenden Leiterin der Real-, Werkreal- und Gemeinschaftsschulen, sei es gelungen, noch während des Schuljahrs 23 Schüler aus dem Gymnasium an Real- und Gemeinschaftsschulen unterzubringen.

Konzept für Schulwechsler

Doch das sind nur die dringlichsten Fälle. Für 330 weitere Schüler, die auf dem Gymnasium nicht klarkommen, habe man einen Wechsel auf eine Real- oder Gemeinschaftsschule zum kommenden Schuljahr vereinbart, berichtet Matthias Kaiser, der stellvertretende Leiter des Staatlichen Schulamts. Dass die Zahl der Schulwechsler erstmals bereits im März feststand, sei ein großer Vorteil. Denn, so Kaiser, „das müssen wir im Vorfeld planen“. Dies sei in dieser Form bisher nicht möglich gewesen.

Es sei auch das Ergebnis einer gemeinsamen Besprechung mit Schulamt, Regierungspräsidium und den Schulleitern, für die sich zur Hausen und Koterbicki gemeinsam eingesetzt haben. Dass es zu dieser Aussprache über das Thema Schulwechsler und deren individuellen Probleme mitten unter dem Schuljahr gekommen ist, führen die Schulleiter und Kaiser auch auf die mehrfache Berichterstattung zu diesem Thema in unserer Zeitung zurück. Man sei übereingekommen, dass diese Wechsel künftig geordnet über die Schulleitungen erfolgen sollen, berichtet Koterbicki. Die Aussprache darüber solle künftig jedes Jahr in dieser Runde stattfinden, jeweils nach den Halbjahreskonferenzen – „eine gute Geschichte“, findet Koterbicki. Auch Kaiser ist zufrieden: „Jetzt haben wir ein sauberes, strukturiertes Verfahren.“ Das sei aber nur möglich, weil die beiden geschäftsführenden Schulleiter die Federführung übernommen hätten. Denn die Schulverwaltung ist so strukturiert, dass das Schulamt unter anderem zwar für Real-, Werkreal- und Gemeinschaftsschulen zuständig ist, nicht aber für die Gymnasien.

Mit der Not der Schulwechsler hatte sich im Februar auch der Schulbeirat beschäftigt. Auf Antrag der Grünen im Gemeinderat soll das Regierungspräsidium in der nächsten Sitzung des Schulbeirats am 24. April über die Hintergründe und Zahlen dieser Entwicklung berichten.