Der Schulweg sollte Sache der Schüler sein und nicht der Eltern, findet Redakteurin Inge Jacobs. Allerdings muss er mit Erstklässlern erst einmal geübt werden.

Stuttgart - Ja, es stimmt: 2,4 Kilometer Schulweg sind ganz schön weit, vor allem für Erstklässler. Es ist so ziemlich die weitestmögliche Strecke, die ein Kind an eine öffentliche Grundschule in Stuttgart zurücklegen muss – auch wenn es nicht alle Kinder trifft. Es ist klar, dass man so einen Zwerg nicht einfach allein mit Navi auf den Weg schicken kann, womöglich noch im Dunkeln. Der Schulweg muss vorher geübt werden. Dazu gehören die Orientierung im Stadtteil, aber auch im Straßenverkehr, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und das Laufen.

 

Kein Zweifel: Das alles ist Aufgabe der Eltern und gehört zur Erziehung dazu. Tatsächlich hat sich aber deren Selbstverständnis in den vergangenen Jahren stark verändert. Immer mehr Eltern halten einen Schulweg zu Fuß für unzumutbar und bringen ihr Kind lieber im Auto zur Schule. Das ist gut gemeint, tut den Kindern aber nicht gut. So sind sie weder richtig wach, noch lernen sie, sich zu orientieren, sich selbstständig in ihrem Quartier und in einer urbanen Umwelt zu bewegen und sich etwas zuzutrauen. Nicht zuletzt verursachen Elterntaxis in der Rushhour oft gefährliche Situationen direkt vor der Schule.

Anfangs sollten Eltern oder ehrenamtliche Paten die Zwerge auf dem Schulweg begleiten

Es liegt also nahe, dass Kinder sich zu einem gemeinsamen Schulweg treffen und zunächst von einem Erwachsenen begleitet werden. Das erfordert aber eine Absprache zwischen den Familien, Verlässlichkeit und – natürlich – eine grundsätzliche Bereitschaft und auch praktische Möglichkeit, die Kinder anfangs zu begleiten. Falls nicht alle Eltern das schaffen, sollte es doch möglich sein, dass andere Eltern übernehmen – oder dass sich ehrenamtliche Paten im Quartier finden, die die Kleinen anfangs begleiten. Dass, wie jetzt an der Herbert-Hoover-Schule in Freiberg, Eltern ihre Kinder stattdessen an der Halbtagsschule anmelden und Sonderregularien beim Hort erwirken, kann jedenfalls nicht die von der Stadt erwünschte Lösung sein.

inge.jacobs@stzn.de