Polizeibeamte und der ADAC üben mit den neuen Erstklässlern, wie man Straßen überquert und sich als Fußgänger verhält. An die Eltern richten sie einen Appell.

Stuttgart - In der Wurmlinger Straße in Degerloch wippen lauter neongelbe ADAC-Mützen auf und ab. Vorneweg geht ein Polizist mit erhobenem Finger: „Wie sagt man zu dem hier“, fragt er, und zeigt auf den Kandel. „Bordstein“, rufen einige Neonmützen. „Haltestein“, rufen andere. „Nur die Erwachsenen sagen Bordstein, weil sie’s nicht besser wissen“, belehrt der Polizist Matthäus Ruckh die Erstklässler der Alb- und Filderschule.

 

Zur Auftaktveranstaltung der Aktion Sicherer Schulweg hat das Polizeipräsidium Stuttgart in die Albschule geladen. Dort lernen auch die Eltern einiges, zum Beispiel, wie man richtig zwischen zwei parkenden Autos hervortritt. Man legt die Hand an Rücklicht oder Scheinwerfer des Autos, streckt sich um eine Armlänge nach vorn und guckt nach rechts und links. Polizist Ruckh hat wieder einen nützlichen Merkspruch parat: „Hand ans Licht, vergiss es nicht!“

Immer wieder funkt das Elterntaxi dazwischen

In den kommenden Wochen werden die Beamtinnen und Beamte der Verkehrsprävention die Schulanfänger aller Stuttgarter Grundschulen besuchen und mit ihnen das richtige Verhalten im Straßenverkehr üben. Und aufrütteln, zum Beispiel mittels Bremswegdemonstration. Kaum ein Kind und kaum ein Elternteil hatte damit gerechnet, dass der Wagen, den Birgit Weber vom ADAC steuert, trotz Tempo 30 nach einer Vollbremsung noch so weit rutschen würde. Trotzdem will Michael Bormann seinen Sohn Jonas (7) zur Schule laufen lassen: „Er soll seine Sicherheit finden“, argumentiert der Vater.

Die Geschäftsführerin des Fördervereins Kinderfreundliches Stuttgart, Silke Schmidt-Dencker, hätte gern ausschließlich solch einsichtige Eltern in der Stadt. Die Realität sieht anders aus: „Das Elterntaxi ist nach wie vor ein Problem, weil Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder im Verkehr bangen, weil sie Angst vor gewalttätigen Übergriffen haben oder morgens keine Zeit“, sagt sie. Dabei verbessere der Schulweg zu Fuß nachweislich die Konzentrationsfähigkeit der Kinder. Trotzdem kommt es vor vielen Schulen morgens und mittags zu heftigem Gekurbel an den Lenkrädern. „Elterntaxis gefährden beim Vor- und Zurücksetzen jene Schüler, die zu Fuß gehen“, beklagt die Schulleiterin Bärbel Kirdorf.

Polizei rät zum Üben und zu Vertrauen in die Kinder

Die Stadt versuche laut Susanne Scherz, der Leiterin der Straßenverkehrsbehörde, mit mobilen Geschwindigkeitsanzeigentafeln (die mit Smiley) und derzeit 21 Tempo-30-Zonen vor Schulen die Gefahren zu minimieren. „Wenn an der Albstraße auf dem Asphalt ,Elterntaxi’ stehen würde, könnten die Eltern ihre Kinder schon dort springen lassen“, sagt Bärbel Kirdorf.

Das ist nicht im Sinn von Polizeipräsident Franz Lutz. „Die Beschriftung auf Asphalt hätte keine rechtliche Bindungswirkung, deshalb lassen wir das“, sagt er. Berufstätigkeit und Zeitmangel lässt der Schirmherr der Aktion Sicherer Schulweg nicht als Begründung für Elterntaxis gelten. „Man sollte vier bis fünf Mal den Schulweg trainiert und vor allem Vertrauen ins Kind haben, dann sind Schulkinder gut gewappnet gegen Risiken.“

„Unterhaltung und ernsthaftes Rangehen“, das war für Hermann Volkert von der Verkehrsprävention des Polizeipräsidiums Stuttgart das Ziel der Aktion in Degerloch, „wir zeigen Eltern, worauf es ankommt.“ Neun Tipps gibt er ihnen mit auf den Weg: Den Schulweg üben. Die Kinder begleiten. Mit gutem Beispiel vorangehen. Eine sichere Strecke wählen gemäß den Schulwegeplänen der Stadt Stuttgart. Kinder rechtzeitig auf den Weg schicken. Helle Kleidung wählen. Den Laufbus nehmen, das sind Laufgruppen, die auf dem Weg zur Schule Kinder an festen Wartepunkten einsammeln.