Die neuen Regierungsparteien haben mit dem Koalitionsvertrag auch unterschrieben, den Schutz der Frauen vor Gewalt bundesweit abzusichern und die Istanbul-Konvention „vorbehaltlos“ umzusetzen.

Stuttgart - Westafrikanerinnen kommen nach ihrer Flucht in Deutschland nicht zur Ruhe. „Geschlechtsspezifische Fluchtgründe sind in den wenigsten Fällen ein Schutzgrund im Asylverfahren“, sagt Doris Köhncke vom Verein für internationale Jugendarbeit (ViJ). Das soll sich ändern.

 

Keine Ausnahmen mehr

Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen wollten das Fraueninformationszentrum (FIZ) und der Verein für internationale Jugendarbeit wissen, warum Deutschland die Frauen so wenig schützt und haben zu einem Austausch zwischen Fachpublikum und Bundestagsabgeordneten eingeladen. Leni Breymaier (SPD) konnte aktuell über den Koalitionsvertrag berichten. „Darin steht jetzt, dass der Schutz vor Gewalt bundesweit für jede Frau gesichert sein wird und die Istanbul-Konvention vorbehaltlos umgesetzt wird.“ Die Istanbul-Konvention gilt europaweit und schreibt den Staaten vor, das Problem der Gewalt an Frauen gesetzlich anzugehen. Anna Christmann (Grüne) fordert: „Geschlechtsspezifische Fluchtgründe müssen im Asylverfahren berücksichtigt und im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umgesetzt werden. Dort müssen wir personell aufstocken.“ Judith Skudelny (FDP) sieht zudem personelle Lücken bei den Übersetzern. Siegfried Lorek, Staatssekretär im Justizministerium, berichtet von Pilotprojekten in Ankunftszentren: „Das Schlimmste ist wirklich, wenn Traumata nicht erkannt werden“, sagt er.

Verständigungsprobleme

Moderatorin Brigitte Lösch, bis 2021 Landtagsabgeordnete der Grünen, bat Blessing Osifo zu Wort, eine Betroffene aus Nigeria. „Die Frauen verstehen nicht, worum es im Asylverfahren geht, sie sind misstrauisch, wollen sich Fremden nicht anvertrauen, sie sind traumatisiert und können sich nicht gut ausdrücken. Das führt dann zu einer negativen Asylentscheidung und Angst vor einer Ausweisung zurück dorthin, wo sie zuvor Gewalt erfahren haben.“ Asylanwältin Natascha Raquet berichtet von Ablehnungsgründen: Weil Nigeria kein Meldewesen habe, gelten sie als sicher vor Verfolgung. Sie müssten nur in einen anderen Landesteil ziehen. Wenn sie auf der Flucht Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution wurden, werde das nicht anerkannt. „Und eine Vergewaltigung vonseiten der Staatsmacht zur Sanktionierung gilt lediglich als Unrecht, nicht als Asylgrund.“ Muriel Gahl vom FIZ fordert: „Diese Frauen brauchen langfristig sichere Perspektiven.“