Statt in großen Hallen gibt es die Spritze gegen Corona in der Region nun in kleinen Einheiten. Die alternativen Angebote sind so gefragt, dass die Ärzte über einen Ausbau nachdenken müssen.

Region: Verena Mayer (ena)

Stuttgart - Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie begehrt das Angebot von Martina Burchert-Graeve ist, hilft ein Blick auf den 29. Oktober: An jenem Freitag war das Breuningerland in Sindelfingen lange geschlossen, weil in der Nacht zwei Geldautomaten gesprengt worden waren. Und trotzdem, berichtet Martina Burchert-Graeve, standen die Leute auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums Schlange, um sich dort gegen Corona impfen zu lassen.

 

Aus Testzentren wurden Impfstationen

Die Ärztin staunt über den Andrang

„Das war schon erstaunlich“, sagt die Ärztin, die mit dem Apotheker Björn Schittenhelm die fünf Schnelltestzentren im Kreis Böblingen zu Impfstationen ausgebaut hat. Seit Ende September die Impfzentren im Land geschlossen wurden, können sich Bürger dort ohne Termin die Spritze gegen Corona setzen lassen. „Durch das niederschwellige Angebot kriegt man doch noch eine ganze Menge Leute“, sagt Burchert-Graeve, die im Kreisimpfzentrum (KIZ) des Landkreis Böblingen als Ärztliche Leiterin fungiert hat.

Die Wiedereröffnung des KIZ, wie sie der Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angeregt hat, wäre dort also nicht sonderlich praktikabel. Aber auch die Kritik der SPD im hiesigen Landtag ist inhaltlich nicht unbedingt zutreffend. Es sei ein Fehler gewesen, die Impfzentren ersatzlos zu schließen, hat Florian Lahl am Dienstag gesagt. Doch tatsächlich ist der Kreis Böblingen nicht der einzige, wo nach dem Ende der Impfzentren neue, niederschwellige Angebote installiert wurden. In Ludwigsburg etwa wurde in der Notfallpraxis am Klinikum eine Impfschwerpunktpraxis eingerichtet, die vom bisherigen KIZ-Personal betrieben wird. In Stuttgart dagegen touren vier mobile Impfteams des dortigen Klinikums durch die verschiedenen Stadtteile. Und durch den Landkreis Esslingen rollt weiterhin der Impfbus, der mit dem Ende der Impfzentren eigentlich seinen Dienst einstellen sollte. Nach massivem Protest hat das Sozialministerium seinen Betrieb allerdings weiter gestattet. „Gott sei Dank“, sagt Marc Lippe, der Kreischef der Malteser, die das Personal für den Bus stellen, der laut Lippe geradezu überrollt wird. Als er jüngst an seinem Einsatzort vorfuhr, hätten dort bereits 200 Personen auf ihn gewartet. „Das war der Super-GAU“, sagt Lippe, dessen Kollegen gar nicht alle Impfwilligen behandeln konnten.

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Die Nachfrage nach Impfungen steigt

Die Idee ist überall dieselbe: Mit den relativ kleinteiligen Aktionen sollen zum einen die Hausärzte entlastet, zum anderen aber vor allem Bürger angezogen werden, die den bisherigen Impfangeboten keine Beachtung geschenkt haben. Sei es, weil sie keinen Hausarzt haben, sei es, weil ihnen eine Terminvereinbarung zu aufwendig erschien, sei es, weil sie zu bequem waren und kaum Einschränkungen hatten. Das sind die Gründe, die die Ärzte vor Ort zu hören bekommen.

Die Erfahrungen sind ebenfalls überall dieselben: Anders als in den Impfzentren, die nie ganz ausgelastet waren, sind die Ärzte nun gut beschäftigt: An die 200 Impfungen zählt Martina Burchert-Graeve an jeder ihrer fünf Impfstationen im Kreis Böblingen pro Tag. In dieser Größenordnung bewegen sich auch die Impfungen in Ludwigsburg und Esslingen. Und Christian Menzel, der die mobilen Impfteams in Stuttgart verantwortet, hat im Oktober 7000 Impfungen registriert, 2500 davon waren Erstimpfungen. Und mutmaßlich wird die Nachfrage steigen, wenn sich mehr Bürger ein drittes Mal impfen lassen möchten – und wenn nun mit der Corona-Warnstufe der Druck auf die Ungeimpften steigt. „Wir brauchen viele kleine Impfmöglichkeiten“, sagt Mark Dominik Alscher, der Ärztliche Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhaus, der hofft, dass Boosterimpfungen breiter und großzügiger angeboten werden.

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Mobile Impfteams werden aufgestockt

Die Entscheidung des Landes, die Zahl der mobilen Impfteams aufzustocken, dürfte hilfreich sein. Statt bislang 30 dieser Teams sollen es nun 80 werden. Für Marc Lippe in Esslingen bedeutet das, dass er über sogenannte Pop-up-Impfzentren nachdenken kann, um noch mehr Impfungen anzubieten. Und Christian Menzel darf in Stuttgart jetzt drei weitere Impftrupps auf Tour durch das Stadtgebiet schicken.

Premiere in Eislingen

Im Rems-Murr-Kreis bleibt der längst ausgetüftelte Notfallplan deshalb auch erst mal in der Schublade. Dieser sieht vor, eigene Impfteams zu rekrutieren, falls die Nachfrage zu groß und das Impfangebot zu klein ist.

Frank Genske hingegen hat etwas Lampenfieber. Der Vorsitzende der Göppinger Kreisärzteschaft hat an diesem Mittwoch ein Mini-Impfzentrum eröffnet. Wie es wohl angenommen wird? Die ehemalige Abstrichstelle in Eislingen wurde – angesichts der steigenden Infektionszahlen – umfunktioniert und ist nun montags und mittwochs für Impfwillige geöffnet. Stand jetzt ist sie von 17 bis 18 Uhr in Betrieb. Aber wenn es nötig sein sollte, sagt Genske, seien mehr und längere Öffnungszeiten möglich.

Welche Angebote gibt es noch?

Angebot
Neben den niederschwelligen Angeboten in den Mini-Impfzentren und denen der mobilen Impfteams gibt es im ganzen Land weitere Aktionen, die zum Ziel haben, den Schutz vor Corona so unkompliziert wie möglich an die Bürger zu bringen. Eine Übersicht dazu gibt es im Internet unter der Adresse: www.dranbleiben-bw.de

Booster
Menschen ab 60 Jahren können sich ein drittes Mal gegen das Coronavirus impfen lassen. Voraussetzung ist, dass die Zweitimpfung mindestens sechs Monate zurückliegt.

Code
Auch für die Booster-Impfung gibt es einen QR-Code zum Nachweis. Das Erstellen bzw. Aushändigen des Codes kann je nach Impfstation variieren. Die mobilen Impfteams in Stuttgart etwa, die im Auftrag des Sozialministeriums unterwegs sind, können den Code den Impflingen umgehend aushändigen, sagt Christian Menzel. Niedergelassene Ärzte senden ihn ihren Patienten oft nach. Gegen Vorlage des Impfausweises erstellen auch Apotheken den Code.