Das Magnetfeld der Erde schützt den Planeten und seine Bewohner vor kosmischer Strahlung. Nun berichten Forscher, dass dieser Schutzschild schwächelt. Könnte es zu einer Polumkehr kommen – und was wären die Folgen?

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

So ähnlich könnte es in einer Fabrik aus den Frühzeiten der Industrialisierung geklungen haben: ein endloses, dumpfes Rumpeln, über das sich ein unruhiges Rattern und Knistern legt, das keinerlei erkennbarem Rhythmus folgt. Doch hier wird weder geschmiedet, noch gefräst oder gesägt. Der Grund für das Klangchaos ist eine weitaus wichtigere, ja lebenswichtige Tätigkeit: der Schutz vor gefährlicher Strahlung aus dem Weltall.

 

Die unheimliche Geräuschkulisse entstammt nämlich einem Projekt der Technischen Universität Dänemarks, bei dem die Aktivitäten des Erdmagnetfelds in akustische Signale übersetzt wurden. Das Ergebnis würde sich hervorragend für die akustische Untermalung eines Katastrophenfilms über den bevorstehenden Weltuntergang eignen. Aber eigentlich ist der gruselige Sound ein gutes Zeichen. Denn ohne das Magnetfeld gäbe es auf der Erde wohl kein Leben in der Form, wie wir es kennen.

Permanentes Bombardement

Die Erde ist einem Dauerbombardement durch energiereiche Teilchen ausgesetzt, die von der Sonne, der Milchstraße und aus fernen Galaxien kommen. Es handelt sich vor allem um Protonen sowie um Elektronen und ionisierte, also elektrisch geladene Atome. Träfe diese kosmische Strahlung ungehindert auf die Erdoberfläche, würde sie unter anderem das Erbgut von Lebewesen massiv schädigen. Das Magnetfeld lenkt den Großteil der zerstörerischen Strahlung an der Erde vorbei. Bei starker Sonnenaktivität wie derzeit hat es besonders viel zu tun.

Allerdings registrieren Wissenschaftler schon seit längerem eine Abschwächung des Erdmagnetfelds. Nach Angaben des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) hat seine Stärke seit Beginn der Messungen vor etwa 170 Jahren im globalen Durchschnitt um zehn Prozent abgenommen. Besonders stark schwächt sich das Feld demnach auf der Südhalbkugel ab – etwa im Bereich Südafrikas, in Südamerika und im südlichen Atlantik. Dort sei es um rund 30 Prozent schwächer als zu erwarten wäre, erläutert der GFZ-Forscher Jürgen Matzkat. Die Elektronik von Satelliten, die sich in dieser Region befinden, ist daher besonders starker Strahlung ausgesetzt – eine Herausforderung für die Ingenieure.

Ein gigantischer Dynamo

Der magnetische Schutzschild entsteht der gängigen Theorie zufolge großteils durch Strömungsbewegungen flüssiger Metalle – vor allem Eisen – im äußeren Erdkern. Die Zirkulation der Eisenatome innerhalb des bestehenden Erdmagnetfelds erzeugt ähnlich wie bei einem Fahrraddynamo elektrische Ströme. Man spricht daher auch vom Geodynamo. Durch diese Ströme entstehen wiederum neue Magnetfelder, die das Erdmagnetfeld aufrechterhalten. Es handelt sich um einen selbsterhaltendes Prozess der aber ohne die Energiezufuhr aus dem mehr als 6000 Grad heißen inneren Erdkern zum Erliegen käme. Seit einigen Jahren rotiert der aufgrund des enormen Drucks feste innere Kern nicht mehr schneller als der Rest des Planeten, was aber für das Magnetfeld keine Relevanz hat.

Was die Schwankungen des Erdmagnetfelds auslöst, ist noch nicht restlos geklärt. Eine mögliche Ursache sind Wellenbewegungen auf der Oberfläche des Erdkerns. Zudem könnten sich starke Sonnenstürme indirekt auf den Geodynamo im Erdinnern auswirken, schreibt das GFZ. Das Erdmagnetfeld ändert mit der Zeit nicht nur seine Stärke, sondern auch seine Ausrichtung. Die magnetischen Pole bleiben daher nicht immer am gleichen Platz, sondern verschieben sich aktuell um bis zu 40 Kilometer im Jahr. In größeren Zeitabständen tauschen sie ihre Plätze sogar komplett. Man spricht dann von einer Feldumkehr.

Im Durchschnitt hat sich eine solche alle 300 000 bis 500 000 Jahre ereignet – das letzte Mal vor 780 000 Jahren, wenn man von einer nur kurzfristigen Umkehrung vor gut 41 000 Jahren absieht. Rein statistisch wäre der nächste große Polsprung demnach überfällig. Nachweisen lassen sich solche Ereignisse durch die Analyse bestimmter Gesteine. Als diese noch flüssig waren, konnten sich die darin enthaltenen magnetischen Minerale nach dem Erdmagnetfeld ausrichten. Kühlt das Material ab und verfestigt sich, werden die Minerale in dieser Lage fixiert und geben Aufschluss über die Richtung und teilweise auch die Stärke des Erdmagnetfelds zur Zeit der Gesteinsentstehung.

Kein Polsprung über Nacht

Vor und nach einem Polsprung schwächt sich das Erdmagnetfeld deutlich ab. Aktuell könnten wir uns im Anfangsstadium einer Feldumkehr befinden, spekulieren die GFZ-Forscher. Sie fügen aber hinzu: „Unsere Erkenntnisse über den Geodynamoprozess reichen noch nicht aus, um eine Feldumkehr im Zeitraum der nächsten Jahrtausende vorhersagen oder ausschließen zu können.“

Welche Folgen so ein Ereignis hätte, ist umstritten. Während manche Forscher die Auslöschung vieler Tier- und Pflanzenarten durch die zeitweise stärkere Strahlung für möglich halten, rechnen andere mit weniger drastischen Veränderungen. Ein Trost bleibt in jedem Fall: Ein Polsprung passiert nicht über Nacht, sondern ist eher eine Sache von mehreren Jahrtausenden.

Magnetismus und Magnetfelder

Prinzip
Magnetismus entsteht durch die Bewegung elektrischer Ladungen. Wenn Strom durch eine Leitung fließt – genauer gesagt handelt es sich um Elektronen – entsteht ein Magnetfeld. Auf diesem Prinzip beruhen Elektromagneten. Auch die Anziehungskraft von Dauermagneten hängt mit der Bewegung von Elektronen zusammen. Diese schwirren einerseits um den Atomkern herum, andererseits drehen sie sich um ihre eigene Achse – man spricht auch vom Spin. Je nachdem wie viele Elektronen ein Atom hat und wie diese zusammenwirken, ist es entweder magnetisch wie Eisen oder nicht magnetisch wie Kohlenstoff.

Messung
Ein Maß für die Stärke eines Magnetfelds ist die magnetische Flussdichte in Tesla. In Deutschland werden für das Erdmagnetfeld Werte von knapp 50 000 Nanotesla (Milliardstel Tesla) gemessen. Zur Messung dienen sogenannte Magnetometer. Das erste entwickelte 1832 der deutsche Physiker und Mathematiker Carl Friedrich Gauß. Die ältere Einheit der magnetischen Flussdichte heißt daher Gauß. Ein Gauß entspricht 0,0001 Tesla.