Witze über Exil-Schwaben in Berlin sind Internet-Folklore wie Katzenbilder. Doch nach den Brandanschlägen ist vielen das Lachen vergangen.

Stuttgart - Um als kultig zu gelten, reicht es ja manchmal schon aus, eigenartig zu reden, zu essen oder zu wohnen. Eigenartig aus Sicht der jeweils anderen, versteht sich. Da unterscheiden sich Phänomene im Internet nicht so sehr von Büttenreden im Karneval oder Comedy-Sendungen im Privatfernsehen. Seit Jahren gehört „der Schwabe“ deshalb zum Grundrepertoire der Possenreißer, die auf YouTube berühmte Filmszenen mit Dialekten nachsynchronisieren. Zu einer gewissen Berühmheit hat es die schwäbische Version von „Krieg der Sterne“ gebracht. „Virales Marketing isch a absolut machtvolles Werbeinschtrument, von dem Sie koi Ahnung haben“, raunt darin Darth Vader seine Truppen auf dem Todesstern an. Und er hat ja Recht. Das Video wurde millionenfach angeklickt und verbeitete sich wie ein Virus. Ähnlich war es übrigens bei „Stirb langsam“ oder „Der Herr der Ringe“ auf Schwäbisch. Am meisten haben die Schwaben wahrscheinlich selbst gelacht.

 

Das „Schwaben-Bashing“, der augenscheinliche Hass auf Schwaben in Berlin, reiht sich da nahtlos ein. Regelmäßig zur Weihnachtszeit tauchten im Bezirk Prenzlauer Berg Plakate auf, mit denen angebliche Ostberliner „eine gute Heimfahrt“ (2006) oder „einen guten Appetit“ (2007) wünschten. Und das wurde ebenso munter übers Netz verbreitet wie die drastischere Botschaft von 2009: „Wir sind ein Volk. Und ihr seid ein anderes.“ Kurz nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg machte ein Plakat, die Runde, das mitteilte: "Die Invasion ist vorbei! Ihr dürft wieder zurück nach Hause".

Reflexartiges Gutfinden

Obwohl oder gerade weil es eine Menge Leute in den fraglichen Bezirken gibt, die „was mit Internet“ machen, ist daraus nie eine Netzbewegung gegen Schwaben entstanden. Zwar wurden und werden tausendfach anti-schwäbische Graffiti, Plakate, Schilder beim Bilderdienst Flickr oder bei Facebook hochgeladen. Aber über ein reflexartiges irgendwie Gut- oder wenigstens Bemerkenswertfinden ist das nie herausgekommen. Da unterscheiden sich Fotos von „Schwaben raus“-Schmierereien nicht so sehr von Katzenbildern im Netz. So genannter Katzencontent ist immer Garant für Aufmerksamkeit von Menschen, die Katzen toll finden und solchen, die Katzen hassen.

Facebook-Gruppen wie „Hausbesetzerschwaben Rückführung aus Berlin - jetzt!“, der „Schwaben raus aus Berlin e. V.“ oder die „Antischwa“ haben nur kläglichen Zulauf. Viel häufiger sind Blogs, Tweets und Facebook-Einträge, die eine Hetzjagd auf Schwaben kritisch sehen und dahinter nichts weiter als ein Medienthema im Sommerloch sehen. Die Brandanschläge aber sind real. Und wer sich im Netz dazu äußert, lehnt sie ab, nennt den Täter „irre“ oder sieht rechte Gewalt. Das Onlineportal Prenzlauer-Berg-Nachrichten hat „Schwabe“ längst als Schimpfwort identifiziert, das auch im Netz etabliert ist. Das hat weder was mit den üblichen Witzchen zu tun. Noch mit den Menschen aus Baden-Württemberg.