Der Adler in Asperg, seit Jahren eine renommierte Adresse für Freunde gastronomischer Höhenflüge, hat einen neuen Küchenchef. Philipp Rümmele leistet ausgezeichnete Arbeit, finder der StZ-Kritiker Matthias Ring.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Asperg - So eine Auswahl auf so hohem Niveau hat man nicht alle Tage: drei verschiedene Menüs, dazu noch einige À-la-carte-Gerichte, die so verlockend klingen, dass wir uns kaum entscheiden können und es uns sowie der Küche schließlich leicht machen: mit dem Adler-Menü (vier Gänge für 86 Euro) und dem vegetarischen Menü (vier Gänge für 56 Euro).

 

Die Vielfalt gehört zum Konzept, das auch ein Spagat ist. Seit zwei Monaten hat der Adler Asperg in Philip Rümmele (30) einen neuen Küchenchef. Das war er zuvor im EssZimmer der BMW-Welt – aber unter dem Direktor der Zweisterneküche, Bobby Bräuer. Das heißt, Rümmele bringt einerseits viel Potenzial mit und kann sich nun selbst einen Namen machen, muss aber andererseits auch an die traditionelle Klientel in der Schwabenstube des Adlers denken. Die könnte schon irritiert sein angesichts des minimalistischen Kunstwerks unserer Vorspeise: schmelzige Gänseleber mit einem Pinzettenarrangement von Roter Bete, Almjoghurt und Macadamiastaub. Aber wer will, kann im Adler weiterhin seine Sättigungsbeilage (nicht nur zum Rostbraten für 28 Euro) haben – ein Wort, das in manchen Sterneküchen verpönt ist.

Rümmele holt aus seinen Zutaten alles heraus

Wir sind auch ohne Spätzle glücklich und satt, haben aber diesbezüglich einen winzigen Kritikpunkt anzubringen. Das vegetarische Hauptgericht ist ein üppig-herzhafter Risotto mit Radicchio, Rotwein und Schaum von Fontina-Käse – aber danach noch „Milchreis“, selbst wenn er in Anführungszeichen steht? Wir ordern Sorbet-Variationen – und Rümmele räumt den kleinen Knacks im Konzept ein. Aber sonst – alles super: die hauchdünn getrocknete Artischocke zu Williamsbirne, Pomelo und Eiskraut; das Süppchen aus Topinambur mit Eigelb, Spinat und Périgord-Trüffel; der köstliche Sud aus Krustentier, Paprika und Pernod, in dem die gegrillte Lotte de Mer (Seeteufel) badet, mit durchsichtiger Chorizo als erdigem sowie Ananas- und Kokosnoten als exotischem Kontrast. Und was für ein Hauptgang mit Rinderfilet, Ochsenschwanz als Wan-Tan, einer Spur schwarzen Knoblauchs, einem Stückchen Rettich, das mit Ingwer und Yuzu ebenso intensiv abgestimmt ist wie der Pak Choi!

Wir können weiter aufzählen – etwa das Wellness-Dessert mit Nashi-Birne, Kefir und Weizengras, das Gurkenmousse mit Ginschaum als finales Extra –, müssen aber versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu nennen. Also: Rümmele überrascht mehr mit Aromenkombinationen als mit Texturspielereien, holt das Letzte an Geschmack aus den Produkten heraus beziehungsweise legt das Äußerste hinein. Das wirkt nicht angestrengt, sondern ausgereift und ist klassisch und modern zugleich. Der angestammte Service hält da lässig, aber souverän mit. Auch wenn es Rümmele „geerdet angehen“ will: Dermaßen aufgestellt kann sich der Adler so aufschwingen, dass die meisten nur noch aufschauen können.