Die Anwerbung von Arbeitswilligen in Südeuropa durch die Stadt Schwäbisch Hall findet inzwischen kaum noch Befürworter.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Schwäbisch Hall - Staunen, auch Verwunderung hat eine Arbeitsmarktinitiative der Stadt Schwäbisch Hall ausgelöst, kurz nachdem bekannt wurde, dass sich rund 13 000 Portugiesen um einen Job im Hohenlohischen bewarben. Inzwischen raten maßgebliche Verbände im Land jedoch davon ab, einen solchen PR-Coup noch einmal an anderer Stelle zu wiederholen. Am moderatesten formuliert das noch der Sprecher des Städtetags, Stefan Gläser: „Die Vorgehensweise des Kollegen Hermann-Josef Pilgrim kann ich gut nachvollziehen“, so Gläser, selber langjähriger Oberbürgermeister der Stadt Wertheim am Main. Wie sich am Beispiel Hohenlohe aber gezeigt habe, sei eine „präzisere Abstimmung mit Unternehmen“ nötig. So hätten offenbar „einigermaßen ablesbare Stellenbeschreibungen“ gefehlt.

 

Die Wirkung war nicht vorhersehbar

Nach Kenntnis des Städtetags plane derzeit keine andere Kommune im Land eine ähnliche Werbeaktion. Wie berichtet, hatte Schwäbisch Hall – auf Vermittlung des örtlichen Goethe-Instituts – sieben Journalisten aus Portugal, Griechenland, Spanien und Italien in die Stadt geholt, um sich als potente Arbeitsregion zu präsentieren, in der Tausende attraktive Stellen offenstehen. Vor allem die portugiesische Wirtschaftszeitung „Diario Economico“ berichtete anschließend ausführlich über die Stadt, druckte eine Grafik mit regionalen Durchschnittseinkommen (wonach zum Beispiel ein Arzt 6000 bis 8000 monatlich verdiene) und ließ anklingen, dass die Beherrschung der deutschen Sprache nicht immer und überall notwendig sei.

Dass sich kurz darauf Tausende Portugiesen bei der Stadtverwaltung, der Agentur für Arbeit und verschiedenen Unternehmen meldeten und Bewerbungen schickten, hatte niemand vorherberechnet. Die Wirkung der mehrseitigen Berichterstattung wurde durch Facebook potenziert, außerdem durch einen Fernsehbericht des portugiesischen TV-Senders TVI, der in einer Grafikanimation den Flug von Lissabon nach Stuttgart und die Weiterfahrt nach Schwäbisch Hall als einen Katzensprung erscheinen ließ.

Sogar die Arbeitgeber zweifeln

Den DGB Baden-Württemberg stört der Grundgedanke, wonach Arbeitskräfte aus dem Inland immer schwerer zu bekommen seien. „Wir machen da ein Fragezeichen dahinter, auch wenn die Arbeitgeber laut schreien“, sagt ein Sprecher. Immer noch gebe es viele Jugendliche, die von deutschen Betrieben nach der Ausbildung nicht übernommen würden, bekämen ältere Arbeitnehmer beharrlich Absagen auf ihre Bewerbungen. Die Aktion von Schwäbisch Hall habe für seinen Gewerkschaftsverband ein „Geschmäckle“, so der Sprecher. Wenn das Schule mache, „dann kann man sich alle anderen Anstrengungen sparen“.

Sogar die Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände sieht wenig Gutes am Lockruf der Hohenloher. „Wir sind sehr skeptisch“, so ein Sprecher. „Richtig passgenau und zielgenau war das nicht.“ Unter dem Gros der neugierig gemachten Bewerber aus Portugal habe man lediglich Enttäuschung erzeugt. „Wir benötigen zunächst eine Willkommenskultur und eine nach Bedarf gestaltete Einwanderungspolitik.“ Dieser gesetzliche Rahmen fehle bisher.

Nur „gut gemeint“

Von einem „gut gemeinten Versuch“ der Stadt Schwäbisch Hall spricht das Finanz-und Wirtschaftsministerium. Es spreche grundsätzlich nichts dagegen, europäische Journalisten einzuladen und sich zu präsentieren. Allerdings sei „der Ansatz von Schwäbisch Hall zu wenig“, so ein Sprecher des Finanzministers Nils Schmid. Gezielte Arbeitskräfteanwerbung müsse anders betrieben werden. „Man muss vor Ort gehen und den Leuten selber sagen, was sie erwartet.“ Dabei sollten Ressourcen genutzt werden, beispielsweise die Vermittlung durch deutsche Handelskammern im Ausland.

Das Ministerium sieht sich selber als Beispiel dafür, wie es funktionieren kann. Genannt wird die „Aktion Nikolaus“ Ende vergangenen Jahres. Ein Verbund mit Vertretern von Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften, Kommunalverbänden und der Bundesagentur für Arbeit lud in Barcelona Ingenieure zu einem Informationsgespräch ein. 96 Spanier folgten darauf einer Reiseeinladung nach Stuttgart ins Haus der Wirtschaft, wo die Kontakte zu Unternehmen sich intensivierten.

Aktuell, so der Ministeriumssprecher, gebe es 34 Einstellungszusagen. 18 Arbeitsverträge seien schon unterschrieben.