Der Dialekt fristet seit Jahren ein Schattendasein: Doch der schwäbische Mundart-Verein setzt bei der Sprachpflege bereits bei den Kindern an. Kleinkünstler lassen die Kleinen in Schulen „schwätza“, „lacha“ und „schpringa.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Gäufelden - Wulf Wager erweckt für seine Mission die Lautmalerei des schwäbischen Dialekts zum Leben. Der Musiker stimmt vor fast 40 Kindern der beiden dritten Klassen an der Grundschule in Gäufelden-Öschelbronn das alte Volkslied von „Bettelmanns Hochzeit“ an: „Ha noi“, lässt Wager einen überraschten Hund „schwätza“, als die Tiere vom großen Fest erfahren, zu dem auch sie eingeladen sind. „Nimm mi au mit“, mauzt er als Katze. „Kaffee ond Kucha zahl i“, kräht Wager als Gockel, und als Taube gurrt er „Gib doch a Ruh“. Wagers Mission erzielt prompt den ersten kleinen Erfolg. Begeistert schwäbeln die Buben und Mädle im Chor mit.

 

Kindergruppe verwandelt sich in Hochzeitsgesellschaft

Später verwandelt sich die Kinderschar sogar in die Hochzeitsgesellschaft: Sich paarweise an den Händen haltend „schpringa“ die Kinder im Tanzkreis. „So habe ich mir das vorgestellt“, sagt Wager. „Jetzt sind alle bei der Sache und haben auf spielerische Weise Spaß an der schwäbischen Sprache.“

Es ist ein kleiner Teilerfolg des 50-jährigen Kleinkünstlers aus Altenriet (Kreis Esslingen). Wager, der sonst eine Werbeagentur führt, ist an diesem Tag in Öschelbronn ein Gesandter des Arbeitskreises Mundart an der Schule. Hinter dem Projekt stecken der Mundartverein und der Verein Muettersproch. Beide haben sich das Ziel gesetzt, Schwäbisch, Alemannisch und Fränkisch zu pflegen. Seit zehn Jahren tingelt daher eine kleine Schar aus einheimischen Kleinkünstlern, die den Dialekt beherrschen, durch Baden-Württemberg. Fast 400 Veranstaltungen hat es bisher gegeben, bei denen 8000 Schüler angesprochen wurden. „Wir sind auf einem guten Weg, die im Land beheimateten Mundarten als wertvolles Spracherbe und Kulturgut nicht in Vergessenheit geraten zu lassen“, sagt Wolfgang Wulz, der Vorsitzende des Mundartvereins aus Herrenberg.

Heimischer Dialekt fristet ein Schattendasein

Denn während die Wirtschaft im Ländle seit Jahrzehnten auf Wachstumskurs ist, fristet der heimische Dialekt ein Schattendasein. Der Anteil der Einheimischen, die noch Schwäbisch, Alemannisch oder Fränkisch sprechen, wird immer kleiner. Alarmierend für Freunde der Mundart ist, dass laut Experten nur noch zehn bis 20 Prozent der Kinder Dialekt reden. Selbst in ländlichen Regionen in Württemberg „schwätzet“ die jungen Einheimischen kaum mehr.

Auch im 3800 Einwohner zählenden Gäufelden-Öschelbronn ist es um die Mundart nicht gut bestellt: „Wir haben gerade noch ein Kind, ,des no a broits Schwäbisch spricht’“, sagt Reiner Dinger. Der Rektor der dortigen Grundschule mit ihren 150 Jungen und Mädchen selbst redet auch im Unterricht meist so, wie ihm der Schnabel wegen seiner Herkunft gewachsen ist – er ist gebürtiger Herrenberger: also im Dialekt. „Außer im Deutschunterricht, weil die Kinder natürlich Hochdeutsch schreiben lernen müssen.“

„Dubbel“ klingt einfach freundlicher als „Schwachkopf“

In anderen Fächern lässt der Rektor seiner „Gosch“ gerne freien Lauf. Auch dann, wenn einem Schüler ein Fehler unterläuft: „Da sage ich lieber ,Du Dubbel‘ – das klingt freundlicher und liebevoller. ,Schwachkopf‘ wäre hingegen kränkend“, erläutert Dinger. „Das Hochdeutsche drückt vieles härter aus, obwohl das gar nicht nötig ist. Beim Schwäbischen klingt allein in seiner Lautmalerei mehr Gefühl mit.“

Das ganze Kollegium lege daher großen Wert darauf, die Mundart zu pflegen – und keinesfalls zu verbieten. „Wir müssen an die Wurzeln gehen. Daher ermuntern wir die Kinder, Schwäbisch zu sprechen“, sagt Dinger. Und er verweist auf Erfolge von Regionen, in denen man auf die Pflege des heimischen Dialekts großen Wert legt und ihn auch selbstbewusst spricht: „Die sächsischen Kinder und die aus Südtirol schneiden bei den Pisa-Tests immer sehr gut ab.“ Im Kopf werde die Landessprache und der Dialekt ähnlich verarbeitet wie Zweisprachigkeit.

Schwäbischem Kleinkünstler schmeckt keine „Wuaast“

Derweil schwäbelt der Musiker Wager im Klassenzimmer weiter: Breit grinsen muss er dann doch, als ein Mädchen zu Wurst statt „Wurscht“ auf Hochdeutsch „Wuaast“ sagt. „Das ist nicht so schlimm“, meint er augenzwinkernd. „Ich sehe auch daheim, dass das Leben meiner Kinder einfach sehr vom Hochdeutschen geprägt ist. Aber Schwäbisch ist wieder im Kommen.“