Sie kamen aus Süddeutschland und wurden legendäre Unternehmer in den USA: David Yuengling, Georg Gemünder, Paul Werner.

Reportage: Akiko Lachenmann (alm)

Gruibingen - Schon sein Vater Eduard, Schultheiß von Gruibingen im Oberen Filstal, war überzeugt vom Leitspruch „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Er ließ seinen Lieblingssohn Paul mit 17 Jahren nach Amerika ziehen, damit dieser dort „das deutsche Element heben und demselben die gebührende Achtung verschafft“, wie in seinen Memoiren zu lesen ist.

 

Paul Werner (1850–1931) arbeitete sich schnell nach oben. Sein erstes Geld verdiente er in einer Gerberei in Ohio. Später zog er in die nahe gelegene Stadt Akron, wo ein Drittel der Bewohner Deutsch sprach. Zunächst stand er in einem Lebensmittelladen an der Kasse, dann trat er eine Stelle als Buchhalter an, zog weiter zu besseren Adressen, bis er bei einem Baukonzern landete, der ihn gut bezahlte.

Zur Medienbranche kam er durch Zufall. Frauen aus Akrons Oberschicht hatten sich zu einer Abstinenzbewegung formiert, die betend von Salon zu Salon zog. Die Verleger der Zeitschrift „Akron Germania“ baten den redegewandten Deutschen, gegen die Bewegung zu schreiben. Werner schrieb nicht nur einige gepfefferte Artikel, er kaufte gleich das ganze Blatt – zum Spottpreis. Innerhalb von drei Jahren krempelte er Akrons Zeitungsmarkt um. Er baute den lukrativen Anzeigenteil aus, übernahm die Wettbewerber, gründete zwei weitere Zeitungen. Als er bemerkte, dass sich das Geschäft nicht weiter ausdehnen ließ, verkaufte er alles, um sich seiner Vorliebe für den Buchdruck zu widmen.

Auf der Suche nach frischem Kapital kam ihm der blutige Streik in der Maschinenfabrik von Frank Seiberling zupass. Es war der Tag, an dem eine wütende Menge das Hotel Windsor zu stürmen drohte, in dem sich Seiberling verschanzt hatte. Der Bürgermeister flehte den Militärliebhaber Werner, der einer privaten Garde aus ehemaligen deutschen Soldaten vorstand, um Hilfe an. Mit der überforderten Polizei oder der Nationalgarde, die mit den Streikenden sympathisierte, war nicht zu rechnen.

Ein Großkredit als Dankeschön

Werner ließ 115 Mann mit Bajonetten antreten, lenkte die Meute weg vom Hotel hin zu einem Fabrikgelände, wo es ihm gelang, die Versammlung ohne Blutvergießen aufzulösen. Werner, der Held der Honoratioren. Als er wenige Tage später seinen Kapitalstock erhöhen wollte, gab ihm der Bankier als kleines Dankeschön gleich das Zigfache des erwünschten Betrags.

Mit dem Geld kaufte er ein Baseballfeld, den künftigen Standort der Werner Printing and Lithographing Company. Die Fabrik druckte um die Jahrhundertwende jährlich mehr als 18 Millionen Bücher, darunter kunstvolle Enzyklopädien, Bildbände übers Militär und Weltliteratur. Werner verkehrte in den höchsten Kreisen. Kaiser Wilhelm II. empfing ihn, ebenso Bismarck und Queen Victoria. Selbst in der Wirtschaftskrise hielt Werner sich lange über Wasser. Dann brach der Kampf ums Copyright aus. In 20 Ländern wurden Klagen wegen Urheberrechtsverletzung gegen ihn erhoben. Schließlich war sein Unternehmen so geschwächt, dass er verkaufte.

Doch der rastlose 63-Jährige, der am liebsten unter freiem Himmel schlief und jeden Morgen um halb fünf seine Pferde ausritt, war noch nicht bereit für den Ruhestand. Er zog nach Kansas City, wo er eine Reifenfabrik gründete. Im Jahr darauf brach der Erste Weltkrieg aus, die Stimmung wurde zunehmend deutschfeindlich. Werner scherte das nicht. Er ließ keine Gelegenheit aus, gegen den Kriegseintritt Amerikas zu wettern. Schließlich drehten ihm seine Gläubiger den Geldhahn zu. Werner verlor sein ganzes Vermögen.

Mit 78 Jahren kehrte er nach Akron zurück, wo man ihn nicht vergessen hatte. Der Fabrikant Frank Seiberling kaufte ihm die Zeitung „Germania“, die er bis zu seinem Tod herausgab. An das Geschäftsimperium erinnert in Akron nur noch das heute kommerziell genutzte Werner-Castle, ein schlossähnliches Backsteingebäude, in dem früher Werners Schreibtisch stand.

Der Aldinger Bierbrauer David Yuengling

Das Bierbrauen hat er von seinem Vater, einem Ortsrat im Neckardorf Aldingen, gelernt. Mit 20 zeichnete David Gottlieb Jüngling (1806–1877) Pläne für seine eigene Brauerei. Er hatte die Skizzenblätter mit im Gepäck, als er zwei Jahre darauf im Hafen von Baltimore eintraf.

Gleich nach der Ankunft musste der junge Mann feststellen, dass bereits vor ihm einige Bierbrauer angekommen sein mussten. Die Hafenstadt war gesättigt an Brauereien, die nächste größere Stadt Philadelphia genauso. Jüngling zog daher gen Norden ins Landesinnere, besah sich Dörfer wie Lancaster und Readings und blieb schließlich in einer kleinen deutschen Siedlung namens Pottsville hängen. Jüngling war angetan von dem Flecken: Pottsville lag an einem Fluss und war gesegnet mit bestem Quellwasser. Außerdem hatten die Siedler in der Umgebung Steinkohle entdeckt, die billiger war und länger brannte als Holz. Obwohl Pottsville nur zwei Tavernen besaß, entschied sich Jüngling zu bleiben. Er änderte seinen Namen ab in „Yuengling“ und gründete in der Dorfmitte die D.G. Yuengling’s Eagle Brewery.

Das erste Jahr war mühsam. David Yuengling machte alles selbst, schleppte Getreidesäcke, rührte Maische, pumpte Wasser. Stundenlang musste er Bottiche, Tanks und Kessel überwachen. Zwischendurch lieferte er Fässer aus, mehrmals am Tag, denn das Bier war nicht lange haltbar. Bis in die Nacht sah man ihn Fässer durchs Dorf karren, die letzten Kunden waren die Bordelle. Was übrig blieb, verkaufte er in Bechern auf der Straße. Die Nachfrage wuchs explosionsartig, denn nach einem Jahr hatte sich die Einwohnerzahl Pottsvilles verdoppelt, nach drei Jahren belieferte Yuengling schon 27 Wirtshäuser.

Die Bewohner mussten stolz auf ihre Brauerei gewesen sein. Brach ein Feuer aus, half das halbe Dorf mit, die Flammen zu löschen. Einmal brannte die Brauerei vollständig ab. Pünktlich zur nächsten Brausaison war sie an anderer Stelle wieder errichtet. Die meisten Brauereien verschwanden nach Bränden von der Bildfläche. Yuengling aber muss Gönner gehabt haben, die ihm aus der Patsche halfen.

Die Bergarbeiter liebten sein Lagerbier

Vor allem für sein Lagerbier wurde er verehrt. In Amerika war er einer der ersten Hersteller. Früh hatte er erkannt, dass diese Biersorte Erfolg haben würde. Zur besseren Lagerung ließ er Höhlen in ein Felsmassiv sprengen – zu einem Zeitpunkt, als Lagerbierhefe in Amerika noch gar nicht erhältlich war. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts überlebte dann die leicht verderbliche Hefe dank schnellerer Schiffe die Überfahrt. Dem Siegeszug stand nun nichts mehr im Wege. Bei den durstigen Bergarbeitern in Pottsville wurde Lagerbier das Getränk erster Wahl.

Gerade als Yuengling sich auch außerhalb von Pottsville einen Namen machte, traten die Abstinenzler auf den Plan. Sie erkämpften in Pennsylvania ein Alkoholverbot am Sonntag und schafften es fast, den Quäkerstaat als ersten US-Bundesstaat in die Prohibition zu führen. David Yuengling war diese Bewegung verhasst, auch weil sie Ressentiments gegen alles Deutsche weckte. Wirtshäuser und Biergärten mussten schließen, weil ihnen die Schanklizenzen verwehrt und die Kunden vergrault wurden. Erst später änderten die Abstinenzler ihre Ansichten und betrachteten Bier als Waffe gegen härtere Spirituosen. Immerhin hatte das Gewerbe in den folgenden Jahrzehnten seine Ruhe.

Yuengling baute die Brauerei immer weiter aus und kam zu Wohlstand. Er galt als vorbildlicher Bürger, der laut einem Zeitungsbericht „Wege und Sträucher vor seiner Brauerei in bestem Zustand hielt“ und seine Gemeinde finanziell unterstützte. Als er mit 70 Jahren an den Folgen eines Sturzes starb, gedachte man seiner bei der Beisetzung als einen „stillen, schlichten Mann, der eher ein Arbeiter war als ein Denker, der aber dann handelte, wenn andere es beim Reden beließen“.

Zu Yuenglings Lebzeiten blieb das Brauwesen ein regionales Geschäft, das von Pferdekutschen bestritten wurde. Kurz vor seinem Tod dämmerte aber bereits das neue Zeitalter. Auf der Weltausstellung in Philadelphia im Jahr 1876 wurden die ersten Kühlschränke ausgestellt. Yuenglings Nachkommen gelang es, mit den Entwicklungen Schritt zu halten. Heute leitet Yuenglings Urenkel Richard die Geschicke des Unternehmens. Die älteste Brauerei der USA sitzt noch immer in Pottsville und gehört heute zu den größten Bierherstellern Nordamerikas. Und Verkaufschlager ist immer noch das alte Lager.

Georg Gemünder, der launische Geigenbauer

Er war der Pionier des Geigenbaus in Amerika, auch wenn seine Arbeit lange Zeit kaum gewürdigt wurde. Denn der launische Georg Gemünder (1816–1899) hinterließ viele nachlässig gebaute Billigfiedeln, die er an „ignorante Amerikaner, die von europäischer Geigenbautradition nichts verstehen“, verkaufte. Doch die guten Arbeiten erzielten höchste Auszeichnungen. Gemünder-Geigen, für die man heute bis zu 40 000 Dollar zahlt, gehören zu den teuersten Instrumenten amerikanischer Herkunft.

Georg Gemünder war tief verwurzelt in der europäischen Musiktradition. Sein Vater, Johann Georg Gemünder, arbeitete als Hofgeigenbauer der süddeutschen Fürsten zu Hohenlohe-Ingelfingen, sein Lehrer war der Geigenbaumeister Jean-Baptiste Vuillaume. Georg war der Lieblingsschüler des berühmten Parisers, dennoch verließ er die Werkstatt nach vier Jahren, vielleicht um sich von seinem Lehrer zu emanzipieren, vielleicht um des Abenteuers willen.

Er folgte der Einladung seiner Brüder August und Albert, Konzerte in Amerika zu geben, „wo Geigen mit Gitarren zusammenspielen und alle Menschen verrückt nach Musik sind“. In der Stadt Lynn im Bundesstaat Massachusetts gründeten sie ein Ensemble und tourten damit durch ausverkaufte Hallen. Doch ihr Agent trieb ein schlechtes Spiel mit ihnen und behielt das meiste Geld für sich. Die Musikerkarriere endete im finanziellen Fiasko.

So fing Georg Gemünder wieder an, Geigen zu bauen, zunächst in Boston, später in New York, der einzigen Stadt in den USA mit einem professionellen Orchester. Der Zeitpunkt konnte besser nicht sein. New York war zur Jahrhundertwende eine aufstrebende, kulturversessene Stadt, wo Solisten aus aller Welt auftraten. Gemünder war weit und breit der einzige Geigenbauer und Reparateur seiner Klasse. In seinem Geschäft am Broadway gaben sich die Musiker die Klinke in die Hand.

Sein größter Widersacher war die eigene Eitelkeit

In diesen Jahren schickte Gemünder seine besten Arbeiten zu Ausstellungen in Europa, wo man weiterhin der Meinung war, dass der Klang neuer Geigen nicht an den alter italienischer Meistergeigen heranreiche. Die größte Genugtuung erlebte er auf der Wiener Ausstellung 1873, wo Fachkenner seine Geige für eine aufgefrischte Guarneri-Geige hielten. In seiner Biografie schreibt Gemünder über sich: „Wo die italienischen Meister mit ihrer Wissenschaft geendet haben, hat Georg Gemünder angefangen und es zu größerer Vollkommenheit gebracht.“

Sein größter Widersacher war die Eitelkeit. Mit allen Mitteln versuchte Gemünder die Welt davon zu überzeugen, dass seine Geigen mit den alten mithalten könnten. Geigern, die bei ihm ein altes Instrument ausprobieren wollten, händigte er ein eigenes Produkt aus und klärte sie erst darüber auf, wenn sie hingerissen den Klang priesen und die Geldbörse zückten. Viele verließen daraufhin erbost das Geschäft. Auch den Gebrüdern Hill, renommierte Geigenhändler in London, schickte er eine seiner Geigen, die er als alte Meistergeige verkaufte. Der Schwindel flog auf, sein internationaler Ruf war ruiniert.

So glücklich die Entscheidung, von Boston nach New York zu ziehen, so unglücklich war Georg Gemünders Entschluss, seine Werkstatt in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den damals noch ländlichen Stadtteil Queens zu verlagern, der nur mit Boot erreichbar war.

Dann bekam er auch noch Konkurrenz. Ausgerechnet der eigene Bruder, August Gemünder, eröffnete nach mittelmäßigen Jahren als Orgelbauer den Musikalienhandel August Gemünder & Sons in Manhattan. Augusts Geigen reichten nicht an die Qualitätsgeigen seines jüngeren Bruders heran, doch er verstand mehr vom Geschäft und war der angenehmere Ansprechpartner. Der Gemünder-Laden in Queens geriet nach und nach in Vergessenheit.

Georg Gemünder mied in seinen letzten Lebensjahren jeden Kontakt zu seinem Bruder. Im Jahr 1899 starb er als verbitterter Mann. Sein Sohn Georg junior, eines von elf Kindern, führte das Geschäft noch ein paar Jahre weiter. Nach seinem Tod im Jahr 1915 wurde es an einen anderen deutschen Einwanderer verkauft.

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