Schwarz-Rot und die Wehrpflicht Die SPD und das Problem mit der dicken Hose

Wohin steuert die SPD? Lars Klingbeil und Bärbel Bas Foto: Kay Nietfeld/dpa

Im aktuellen Streit über die Wehrpflicht hat sich gezeigt: Der SPD fehlt es an guten Mechanikern der Macht und an Klarheit über ihren Kurs, kommentiert Tobias Peter.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Es gibt eine treffende umgangssprachliche Wendung, um angeberisches Verhalten zu beschreiben. „Einen auf dicke Hose machen“, lautet sie. Und es handelt sich insbesondere dann um einen lächerlichen Vorgang, wenn man gar keine Hose anhat. So ist es mit der SPD in den Monaten seit der Bundestagswahl.

 

Hier die Profis, da die Amateure: So haben Sozialdemokraten schon während der Koalitionsverhandlungen gern die Kompetenzverteilung zwischen sich selbst und der Union beschrieben. Der Truppe um Kanzler Friedrich Merz fehle es an Erfahrung im Politikmanagement, hieß es immer wieder. Das Drama um die geplatzte Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin hat diese Annahme ja auch eindrucksvoll bestätigt.

Doch im aktuellen Streit um die Wehrpflicht – und nicht nur dort – zeigt sich: Auch in der SPD fehlt es an guten Mechanikern der Macht und einer klaren Idee, wohin die Partei inhaltlich überhaupt will. Fraktionschef Matthias Miersch und Verteidigungsminister Boris Pistorius haben sich nicht ausreichend abgestimmt. Miersch hat zudem die Stimmung in der eigenen Fraktion offenkundig völlig falsch eingeschätzt. Und dann war das Chaos schnell perfekt.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Soll künftig – wenn es hart auf hart kommt – ausgelost werden, welche jungen Männer zur Bundeswehr müssen? Das ist eine sehr schwierige Frage, bei der es nicht nur um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geht, sondern auch um Gerechtigkeit und den Umgang mit Grundrechten. Es ist erstaunlich, dass offenbar weder der Fraktionsführung noch der SPD-Spitze hinreichend klar war, dass eine solche Idee zu harten Debatten unter den Abgeordneten führen würde.

In der vergangenen Legislaturperiode hat die SPD-Fraktion den drögen Kanzler Olaf Scholz und seine kryptische Kommunikation mit größerer Solidarität ertragen, als es sich viele hätten vorstellen können. Dass – nach dem historisch schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl – nun in der SPD-Fraktion ein Bedürfnis nach mehr Eigenleben erwacht, ist verständlich. Es erschwert aber das Regieren. Das gilt ebenso für die Tatsache, dass auch die Unions-Fraktion längst kein bedingungsloser Kanzlerunterstützungsverein mehr ist.

Der Druck zur Eigenprofilierung ist für die Union wie für die SPD groß – wie auch die Notwendigkeit, gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen. Das Land kommt seit Jahren nicht aus der Wirtschaftskrise und braucht dringend strukturelle Reformen in den Sozialversicherungen. Vize-Kanzler Lars Klingbeil und seine Co-Parteichefin Bärbel Bas haben das zwar beide erkannt. Sie haben aber unterschiedliche Vorstellungen davon, was sie der eigenen Parteibasis zumuten können.

Die Hypothek des Lars Klingbeil

Klingbeil ist klarer auf Reformkurs als Bas. Er ist aber angezählt, seit ihn der SPD-Parteitag bei seiner Wiederwahl zum Vorsitzenden mit einem Ergebnis von knapp 65 Prozent abgestraft hat. Bas wiederum tastet sich noch an die Frage heran, ob sie die SPD wirklich führen oder ihr nur vorstehen will.

Und Verteidigungsminister Boris Pistorius? Er ist noch immer der beliebteste Politiker Deutschlands. Dieser Status könnte aber einen Knacks bekommen, wenn sich nun nach und nach herausstellen sollte, dass er im Ankündigen besser als im Umsetzen ist. Das würde auch seinen Einfluss in der SPD stark begrenzen. Die Partei mochte nie in erster Linie Pistorius, sondern vor allem die Tatsache, dass er bei den Menschen im Land gut ankommt.

Es sind schwierige Bedingungen, unter denen die SPD zu einer klaren Linie finden muss. Dringend notwendig ist es aber. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als könnte man die Antwort auf die Frage, wofür die SPD steht, auch auslosen.

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