Flächendeckend wird 2015 ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde eingeführt. Eine Kommission der Tarifpartner legt von 2017 an die Höhe der Lohnuntergrenze fest.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Kompromiss bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro je Stunde sei „identisch mit dem Gesprächsergebnis mit den Gewerkschaften“, sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel. Konkret wird die Lohnuntergrenze flächendeckend zum 1. Januar 2015 eingeführt. Allerdings sind noch bis zu zwei Jahre lang Abweichungen möglich, wenn „repräsentative Tarifpartner auf Branchenebene“ diese vorgeben. Auch sind laufende Tarifverträge zunächst weiter gültig. Am 1. Januar 2017 kommt der flächendeckende Mindestlohn uneingeschränkt.

 

Seine Höhe wird „in regelmäßigen Abständen“, also nicht unbedingt jährlich, von einer siebenköpfigen Kommission überprüft und bei Bedarf angepasst – erstmals zum 10. Juni 2017 mit Wirkung zum 1. Januar 2018. Dieses Gremium wird von je drei Vertretern der Spitzenverbände der Arbeitgeber und der Gewerkschaften besetzt – auf Wunsch mit je einem wissenschaftlichen Berater, der aber kein Stimmrecht hat. Als Siebter kommt der Vorsitzende hinzu, der im Wechsel von einer der beiden Seiten gestellt wird.

Mindestlohn auch für Auszubildende und Praktikanten

„Im Dialog mit Arbeitgebern und Arbeitnehmer aller Branchen“ will die Koalition noch Detailprobleme, etwa bei der Saisonarbeit, „berücksichtigen“. Für ehrenamtliche Arbeit, die in Minijobs geleistet wird, soll es keinen Mindestlohn geben. In der Endfassung des Vertrags wurde eine Ausschlussklausel für Auszubildende und Praktikanten entfernt, für die der Mindestlohn nun doch gilt.

Auch wegen der Übergangsfrist lässt sich nicht ermitteln, wie viele Beschäftigte davon profitieren. Zudem wollen sich die Wirtschaftsverbände im Gesetzgebungsverfahren für weitere Differenzierungen einsetzen. Der Mindestlohn werde jungen Menschen ohne Schulabschluss, Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten den Einstieg in Arbeit erschweren, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer voraus.

Die Tarifbindung zu stärken, lautet ein großes Ziel der Koalitionspartner – gerade in Ostdeutschland, wo sie laut Gabriel nur noch 30 Prozent beträgt. Dazu sollen auch die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen erleichtert werden. Künftig reicht es aus, wenn die Antragsteller eine Tarifbindung von mindestens 50 Prozent „glaubhaft darlegen“ und Tarifverträge wirtschaftliche Fehlentwicklungen verhindern. Entscheidend ist „ein besonderes öffentliches Interesse“ – bisher mussten die tarifgebundenen Arbeitgeber zwingend mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer beschäftigen, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Zur Vermeidung konträrer Gerichtsurteile sind nun die Arbeitsgerichte dafür zuständig.

Zeitarbeit und Werkverträge eingeschränkt

Die Werkverträge werden auf ihren ursprünglichen Sinn zurückgeführt und Missbrauch wird erschwert. Dazu wird die Überwachung bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit konzentriert und deren Personal aufgestockt. Zudem sollen die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats konkretisiert werden – verdeckte Arbeitnehmerüberlassung wird sanktioniert. Die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Fremdpersonaleinsatz sollen in das Gesetz aufgenommen werden. An der Stelle hatten sich die Gewerkschaften eine handfestere Stärkung der Betriebsratsrechte erhofft, um die Werkverträge in den Griff zu bekommen.

Auch die Zeitarbeit will Schwarz-Rot auf ihre Kernfunktionen beschränken. Nun sollen Zeitarbeiter maximal 18 Monate lang an ein Unternehmen ausgeliehen werden – die Union hatte zunächst auf 24 Monate, die SPD auf zwölf gedrungen. Allerdings können in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche oder in einer daraus resultierenden Betriebsvereinbarung längere Einsatzzeiträume für Leiharbeiter vereinbart werden. Künftig gilt „equal pay“, also gleicher Lohn für gleiche Arbeit, spätestens nach neun Monaten – danach wird der Leiharbeitnehmer mit dem Stammbeschäftigten gleichgestellt. Sein Einsatz als Streikbrecher wird ausgeschlossen.

Ein Pauschallob verteilt der DGB-Chef: „Wir sind bei der Neuordnung der Arbeit mit dieser großen Koalition ein großes Stück vorangekommen“, sagte Michael Sommer. Ähnlich zufrieden zeigte sich der Verdi-Chef Frank Bsirske: Der Koalitionskompromiss stelle wichtige Weichen.