Stuttgart - Vor dem Landgericht Stuttgart stehen zwei Bauingenieure aus einer Schönbuchgemeinde, beide 61 Jahre alt. Sie sollen zwischen 2012 und 2017 einmal als Tandem und einmal als Solist zwei Bauunternehmen des Gewerks Roh- und Trockenbau als Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) geführt und ihre Bautrupps aus Bulgarien als Quasi-Teilhaber ausgezahlt haben. „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Millionenhöhe“, lautet die Anklage.
Um den Schein vor dem Fiskus aufrechtzuerhalten, hätten sie also keine Löhne für ihre bis zu 70 Bauarbeiter ausbezahlt, sondern diese als „Entnahme-Vorabgewinne“ für „selbstständige Gesellschafter“ verschleiert.
Hinterzogene Sozialabgaben addieren sich auf drei Millionen Euro
Dadurch hätten sie bei der gemeinsam geführten Firma Sozialabgaben in Höhe von 1,54 Millionen Euro hinterzogen. Bei der zweiten Firma, die einer der Angeklagten allein führte, seien es rund 1,52 Millionen Euro gewesen. Einer der Angeklagten muss sich wegen 120 Vorwürfen verantworten, der andere wegen 60.
Von einer Gewinnbeteiligung haben die Bauarbeiter noch nie etwas gehört
Am zweiten Tag im Prozess hat eine Mitarbeiterin des Hauptzollamts Stuttgart die Anklagevorwürfe erhärtet. Vor dem Landgericht Stuttgart erklärte die Zeugin, bei einer Befragung von rund 25 Arbeitern im Januar 2018 auf einer Baustelle hätten fast alle Angaben gemacht, die darauf hindeuteten, dass die Männer abhängig Beschäftigte seien und nicht, wie vorgeschoben, selbstständige Gesellschafter der beiden Firmen.
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„Die Männer sagten beispielsweise, dass ihre Aufgabe das Arbeiten sei und sonst nichts“, berichtete die Zollmitarbeiterin. „Von einer Gewinnausschüttung hatten sie noch nie etwas gehört, an einer Gesellschafterversammlung nie teilgenommen“, führte die Zeugin weiter aus. Darüber hinaus habe keiner der Arbeiter je eine Einlage in die Gesellschaften bürgerlichen Rechts eingebracht oder Werkzeug und Maschinen selbst gestellt. Sie habe ihre Erkenntnisse dann der Deutschen Rentenversicherung mitgeteilt. Die sei zum Schluss gekommen, dass ein Fall von Schwarzarbeit vorliegt und Strafanzeige erstattet. Finanziell seien die Gesellschaften nicht schlecht dagestanden, die Umsätze hätten sich im Jahr zwischen 370 000 und 880 000 Euro bewegt. An die Arbeiter seien durchschnittlich 1300 bis 1500 Euro pro Monat ausbezahlt worden.
Als Subunternehmer Baustellen im Badener Raum bedient
Einer der angeklagten Bauingenieure erklärte, man habe eine zweite Firma gegründet, da diese sich hauptsächlich als Subunternehmen um Aufträge aus dem Raum Karlsruhe/Baden-Baden kümmern sollte. Die Auftraggeber hätten jeweils vorgegeben, wie viele Arbeiter sie bräuchten, sie hätten dann für die entsprechende Anzahl gesorgt und bei Bedarf zusätzliche Fachkräfte wie Kranführer angeheuert.
Anwerbung der Arbeiter aus Bulgarien war ein Selbstläufer
Die Angeklagten hatten sich die Aufgaben in ihren Firmen aufgeteilt: Einer der beiden, der besser deutsch sprach, kümmerte sich hauptsächlich um Buchhaltung und Bankgeschäfte, der andere fungierte als Ansprechpartner auf den Baustellen. Von den bis zu 70 Arbeitern sei die Hälfte Verwandtschaft aus Bulgarien gewesen. Die Anwerbung der Arbeitskräfte sei ein Selbstläufer gewesen. Sie hätten niemals Anzeigen schalten müssen, das sei stets über Mund-zu-Mund-Propaganda gelaufen. Bisweilen habe man Interessenten sogar absagen müssen. Nach dem Auftauchen des Zolls auf der Baustelle sei der Geschäftsbetrieb zum Erliegen gekommen, die Konten seien eingefroren worden.
Der Prozess wird am 18. März fortgesetzt, das Urteil wird für den 1. April erwartet.