Sieben der über 100 verletzten Demonstranten vom „Schwarzen Donnerstag“ klagen gegen das Land Baden-Württemberg. Das Verwaltungsgericht prüft die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes vor fünf Jahren.

Stuttgart - Fünf Jahre nach der Polizeigewalt bei Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 prüft das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Einsatzes am „Schwarzen Donnerstag“. Sieben der mehr als 100 verletzten Demonstranten von damals klagen gegen das Land Baden-Württemberg als Dienstherr der Polizei. Erklärt das Verwaltungsgericht den Einsatz vom 30. September 2010 für überzogen und rechtswidrig, steigen die Chancen der Kläger auf Schadenersatz. Das Land hat beantragt, die Klagen abzuweisen.

 

Der Prozess gilt als letztes Gefecht in der Aufarbeitung des Einsatzes. Er läuft seit Mittwoch. Mit einer Entscheidung wird Ende November gerechnet. Seit dem „Schwarzen Donnerstag“ gab es mehrere Strafbefehle gegen Polizisten in zwei eingesetzten Wasserwerfern. Auch der damalige Polizeichef und Einsatzleiter Siegfried Stumpf akzeptierte einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Unter den Klägern am Verwaltungsgericht ist der fast erblindete Dietrich Wagner, der durch heftige Druckstöße aus einem Wasserwerfer gegen seinen Kopf aus den Augen blutete. Er schilderte dem Gericht Szenen „wie aus einem Bürgerkrieg“ im Schlossgarten. „Es war ein Verbrechen.“ Mehrfach sei er von Wasserstößen umgeworfen worden, Reizgas habe ihm zu schaffen gemacht. Opfer Edmund Haferbeck berichtete, er sei ohne Vorwarnung mit Pfefferspray beschossen worden. Er sei „gallig“ geworden und habe sich deshalb vor den Wasserwerfer gesetzt.

Bisher keine greifbaren Beweise

Tausende Demonstranten stemmten sich am 30. September 2010 auf dem Baufeld für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 gegen das Fällen von Bäumen. Als die Räumung misslang, ordnete Polizeichef Stumpf den sogenannten unmittelbaren Zwang an, womit der Einsatz von Pfefferspray, Wasserwerfern und Schlagstöcken freigegeben war. Nach Angaben des Gerichts geht es zentral um die Fragen, ob die Menschansammlung im Schlossgarten eine Versammlung war, die grundgesetzlich geschützt gewesen wäre, und ob der Einsatz damals verhältnismäßig war.

Wagners Anwalt Frank-Ulrich Mann hatte bereits vorab erklärt, es gehe auch darum, den Ruf der Demonstranten zu rehabilitieren und solche Ereignisse künftig zu verhindern. In möglichen weiteren Verfahren um Schadenersatz oder Schmerzensgeld würde Mann für Wagner laut älteren Aussagen rund 100 000 Euro fordern.

An der Aufarbeitung des „Schwarzen Donnerstags“ beißt sich seit fünf Jahren auch der Landtag die Zähne aus. Der inzwischen zweite Untersuchungsausschuss „Schlossgarten“ versucht, zu klären, ob Mitglieder der damaligen CDU/FDP-Regierung oder gar Ex-Regierungschef Stefan Mappus (CDU) die harte Gangart der Polizei anordneten oder zumindest forderten. Greifbare Beweise gibt es bisher nicht.