Was steht in den bisher unbekannten Mails von Stefan Mappus zum Polizeieinsatz? Zwei Pensionäre wollen mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Einsicht erzwingen.

Stuttgart - Um die bisher unbekannten Mails des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) wird nun auch vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gerungen. Das Gericht soll entscheiden, ob das Staatsministerium die Mails zum Polizeieinsatz gegen S 21-Gegner im Schlossgarten öffentlich zugänglich machen muss. Zwei Pensionäre hatten dies unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz (UIG) beantragt, waren damit jedoch nicht erfolgreich gewesen; auch ihr Widerspruch wurde abgelehnt. Nun wollen sie den Einblick mit einer Klage gegen das Land erzwingen. Eine Gerichtssprecherin bestätigte, dass das Verfahren anhängig sei; es seien bereits Schriftsätze ausgetauscht worden. Einen Termin für die mündliche Verhandlung gebe es jedoch noch nicht.

 

Der frühere Richter Dieter Reicherter und der pensionierte Physiker Gert Meisel hatten bei der Regierungszentrale umfassende Einsicht in die Unterlagen zur Baumfällung am 1. Oktober 2010 verlangt. Diese wurde ihnen teilweise gewährt. Volle vier Tage lang sichteten sie in der Villa Reitzenstein Unterlagen und förderten interessante Vorgänge zu Tage. So fanden sie ein Schreiben eines Stuttgarter Rechtsanwaltes, der Mappus auch im Namen seiner Frau zu einem harten Kurs gegen die Stuttgart-21-Gegner ermuntert hatte. Nachdem die StZ darüber berichtet hatte, wurden der Richterin am Amtsgericht Stuttgart Dutzende von Verfahren gegen Demonstranten wegen möglicher Befangenheit entzogen.

„Keine Hinweise auf politische Einflussnahme“

Am meisten interessierten Reicherter und Meisel die Sicherungskopien von Mappus-Mails, die im Spätsommer 2012 im Staatsministerium entdeckt worden waren. Sie stammen aus dem Herbst 2010, also just aus dem Zeitraum des „schwarzen Donnerstags“. Ihren Inhalt kennt bisher nur die Staatsanwaltschaft, der zufolge Mappus über den Polizeieinsatz zwar regelmäßig informiert wurde; es hätten sich jedoch „keine Hinweise auf politische Einflussnahme ergeben“. Weder die Regierung noch der Landtag konnten sich davon bisher selbst überzeugen. Das Parlament könnte die E-Mails nur dann bekommen, wenn ein neuer Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Schlossgarten gebildet würde – was die Grünen erwägen.

Auch den Antragstellern Reicherter und Meisel wurde der Einblick verwehrt, vor allem wegen des damals noch laufenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe. Inzwischen hat das Gericht auf Antrag von Mappus entschieden, dass die Kopien zu löschen seien, zuvor aber dem Landesarchiv angeboten werden müssten. Gegen das Urteil hat das Land Berufung beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim eingelegt, bei dem eine Verhandlung laut einem Sprecher noch nicht terminiert ist.

Informationsbedürfnis durch Ausschuss befriedigt?

Sobald ein gerichtliches Verfahren anhängig sei, greife der Auskunftsanspruch nach dem Umweltinformationsrecht nicht, hatte die Staatskanzlei sinngemäß argumentiert. Dazu müsste das öffentliche Interesse die nachteiligen Auswirkungen und „den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren“ überwiegen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Seit das Informationsbedürfnis durch den Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz „befriedigt“ worden sei, liege nur noch ein „reguläres“ und kein besonderes öffentliches Interesse mehr vor. Dem stehe Mappus’ Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ gegenüber; durch die Herausgabe von personenbezogenen Daten drohe „die Gefahr eines irreparablen Schadens“. Zurückgewiesen wurde auch der Einwand der Antragsteller, die Staatskanzlei hätte sich vor der Entscheidung Kenntnis vom Inhalt der Mails verschaffen müssen; dies wäre „unerlässlich“ gewesen.

Insgesamt genüge der Widerspruchsbescheid „nicht ansatzweise den Anforderungen“ des Umweltinformationsrechts, konstatiert Reicherter in der Klagebegründung. Durchgängig seien die notwendigen Ermittlungen nicht vorgenommen worden; „die Abwägung mit dem öffentlichen Interesse musste deshalb in allen Fällen misslingen“. Nun wird mit Spannung erwartet, wie das Verwaltungsgericht Stuttgart dies sieht. Bisher haben die Gerichte den Informationsanspruch nach dem UIG sehr weitgehend ausgelegt.

Bahn blockiert Herausgabe von Unterlagen

Mit der Klage will der Ex-Richter Einsicht auch in weitere verweigerte Dokumente erzwingen – so über interne Informationen für die Spitze des Staatsministeriums zum Untersuchungsausschuss. Dazu gehören auch Vermerke, in denen Mappus mit den Abläufen in dem Gremium „vertraut gemacht und auf mögliche Nach- oder Rückfragen vorbereitet wurde“. Das „behördliche Schutzinteresse“ wiege aber schwerer als das öffentliche Interesse, wurde die Ablehnung begründet.

Gestritten wird zudem um Unterlagen zur Kommunikationsstrategie für Stuttgart 21, die von der Firma CNC entwickelt wurde. CNC selbst habe „keine Bedenken gegen eine Herausgabe angemeldet“, so das Staatsministerium. Die Deutsche Bahn habe diese jedoch „mit Blick auf das Geheimhaltungsbedürfnis wegen Geschäftsgeheimnissen nicht erlaubt“. Weitere Punkte der Klage betreffen Unterlagen des Lenkungskreises, Vermerke zum Schlichtungsverfahren sowie einen Vermerk des Innenministeriums zu kritischen Äußerungen eines Polizeibeamten zu dem Einsatz.

Was in den zunächst verweigerten Dokumenten steht

Zwei zunächst verweigerte Dokumente hat das Staatsministerium in Stuttgart aufgrund des Widerspruchs der Antragsteller inzwischen doch herausgegeben. Dabei handelt es sich zum einen um ein Schreiben der Regierungszentrale an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses.

In dem Schreiben wird dargelegt, dass zwischen dem Polizeieinsatz und der wenig später geplanten Regierungserklärung von Mappus kein Zusammenhang bestehe. Pikant ist allerdings ein Schreibfehler: „Auch im Rahmen dieser Besprechung wurde ein etwaiger Polizeieinsatz im Zusammenhang mit den Bauarbeiten im Schlossgarten thematisiert“, heißt es an einer Stelle. Das „nicht“ wurde nachträglich handschriftlich eingefügt.

Das zweite Dokumente ist das Protokoll einer nicht öffentlichen Sitzung des Ausschusses. Es wurde erst herausgegeben, nachdem der Landtag und das Innenministerium ihre Erlaubnis erteilt hatten. Die darin dokumentierte Vernehmung des früheren Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf ergibt keine brisanten neuen Erkenntnisse. Aufschlussreich sind allenfalls die Frotzeleien unter den Abgeordneten. Dass dieses Protokoll zunächst unter Verschluss gehalten wurde, empfinden die Antragsteller als „lächerlich“.