Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat am Donnerstag mit Geschädigten des Schwarzen Donnerstags gesprochen und sich für das Verhalten des Landes und der Polizei bei dem Einsatz gegen die Stuttgart-21-Proteste entschuldigt.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Mehr als fünf Jahre nach dem rechtswidrigen Polizeieinsatz zur Räumung des Mittleren Schlossgartens am 30. September 2010 hat sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Donnerstag bei den Geschädigten der Vorfälle im Namen der Landesregierung entschuldigt. „Es ist mir ein besonderes persönliches Anliegen, den Geschädigten das Bedauern der Landesregierung auszudrücken“, sagte der Ministerpräsident. Er hatte sich gut eine Stunde lang mit jenen Opfern unterhalten, die im November vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart die Rechtswidrigkeit des Einsatzes hatten feststellen lassen. Ausdrücklich bezog Kretschmann aber in seine Entschuldigung „alle, die vom Polizeieinsatz betroffen waren“, mit ein. Am Schwarzen Donnerstag räumte die Polizei den Mittleren Schlossgarten, wo Tausende gegen die bevorstehenden Arbeiten für Stuttgart 21 demonstrierten.

 

Kretschmann sagte, er sei seinen Gesprächspartnern dankbar, dass diese den Weg in die Villa Reitzenstein auf sich genommen hätten. „Es ist mir bewusst, dass es für Sie eine emotionale Belastung darstellt, sich immer wieder mit dem Schwarzen Donnerstag auseinandersetzen zu müssen.“ Jener Tag habe sich tief in die kollektive Erinnerung der Bürger des Landes eingebrannt. Er dankte den Klägern für ihren langen Atem. Auch wenn es fünf lange Jahre gedauert habe, so zeige das Urteil, dass die Justiz Fehler als solche klar benenne und die Rechtsordnung wieder herstelle. Seine Entschuldigung spreche er als Ministerpräsident aus, „der in der Kontinuität seiner Vorgänger steht, auch wenn die handelnden Personen nicht mehr dieselben sind wie 2010“. Kretschmann war damals im Schlossgarten und habe „fassungslos mitansehen“ müssen, was passierte.

Dietrich Wagner ist „angenehm überrascht“

Dietrich Wagner, der bei dem Einsatz vom Wasserwerfer getroffen wurde und schwere Augenverletzungen erlitten hatte, zeigte sich nach dem Gespräch „angenehm überrascht“. Er habe es als „sehr glaubhaft empfunden, was Herr Kretschmann gesagt hat“, erklärte Wagner nach dem Treffen. Die Aussagen des Ministerpräsidenten sehe er als „aufrichtige Entschuldigung“ an, sagte Edmund Haferbeck, ein weiterer Geschädigter, der gegen den Polizeieinsatz geklagt hatte. Es sei ein nachdenklicher Austausch gewesen, dessen Bedeutung sich in der Diktion des Ministerpräsidenten ausgedrückt habe. Eine solche Geste habe nur von einem grünen Regierungschef kommen können. „Ich habe in dem Gespräch die Entschuldigung ausdrücklich angenommen“, sagte Haferbeck – und den Ministerpräsidenten zu einer Rede bei einer Montagsdemonstration eingeladen.

Ebenfalls an den Tischen in der Villa Reitzenstein saßen der Ministerialdirektor im Innenministerium, Herbert O. Zinell, und der Vertreter des Landespolizeipräsidenten, Dietrich Moser von Filseck. Beide hätten sich im Namen der Landespolizei entschuldigt, so Haferbeck. Zinell, der in Vertretung von Innenminister Reinhold Gall (SPD) an den Gesprächen teilgenommen hat, erklärte darüber hinaus, dass das Land keine Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts einlegen wird. Damit ist der Weg frei für Verhandlungen zwischen der Polizei und den Geschädigten des Einsatzes im Hinblick auf Entschädigungen. Dazu werde das Polizeipräsidium Stuttgart von Januar 2016 an auf die Betroffenen zugehen.

Die Polizei agiert mittlerweile ganz anders als damals

Dietrich Wagner ist es wichtig, dass die Polizei seit jenen Ereignissen im Schlossgarten an sich gearbeitet habe und es weiter tue. Das attestierte Winfried Kretschmann den Ordnungskräften. So habe sich bei den Baumfällungen für das Bahnprojekt im Februar 2012 deutlich gezeigt, dass die Einsatzkräfte ganz anders agiert hätten als noch anderthalb Jahre zuvor an gleicher Stelle, sagte der Regierungschef.