Ein Polizeibeamter kommt wegen seines Schlagstockeinsatzes am Schwarzen Donnerstag im Schlossgarten vor Gericht. Möglicherweise wird er anschließend als vorbestraft gelten – dagegen will er sich wehren. Andere Verfahren gegen Polizisten laufen noch.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Es wird im Oktober am Stuttgarter Amtsgericht zu einem Verfahren kommen, bei dem jetzt schon eines klar ist: unter den Stuttgart-21-Gegnern wird es Aufsehen erregen. Denn dann wird ein Polizist vor Gericht stehen, der am 30. September mit dem Schlagstock unverhältnismäßig hart gegen Demonstranten im Schlossgarten vorgegangen sein soll. An jenem Donnerstag vor zwei Jahren war ein Polizeieinsatz völlig aus dem Ruder gelaufen. Bei den Auseinandersetzungen wurden etwa 100 Demonstranten und etliche Polizeibeamte verletzt.

 

Geldstrafe wegen Körperverletzung im Amt

Die Gegner beklagen, dass die juristische Aufarbeitung ungleich vorangetrieben werde. Die Vorwürfe gegen die Polizei würden viel langsamer und weniger hartnäckig verfolgt werden, heißt es immer wieder. Diese Kritik wurde auch gestern Abend auf der Montagsdemo wieder laut. Mit dem Strafbefehl für einen Schlagstockeinsatz wurde der zweite Beamte zur Verantwortung gezogen, der am Polizeieinsatz vor zwei Jahren zur Räumung des Schlossgartens beteiligt war. Bisher hatte es einen Strafbefehl gegen einen Polizisten gegeben, Die Polizei sollte helfen, den Teil des Parks abzusperren, in dem die Bahn erste Bäume fällen wollte. Dabei wurden Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt, um die Projektgegner zurückzudrängen. Jener Beamte bezahlte eine Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro. Da jene Strafe aus mehr als 90 Tagessätzen bestand, ist der Beamte nun vorbestraft, was polizeiintern ein Disziplinarverfahren nach sich zog.

Der Beamte riskiert, als vorbestraft zu gelten

Um die entscheidende Grenze von 90 Tagessätzen handelt es sich auch im vorliegenden Fall. Denn der Polizeibeamte, der wegen seines Schlagstockeinsatzes beschuldigt wird, soll nach Informationen unserer Zeitung einen Strafbefehl über 90 Tagessätze à 40 Euro zugestellt bekommen haben, gegen den er sich nun juristisch wehrt. Da vor dem Amtsgericht über den Sachverhalt ganz neu verhandelt werden wird, ist unklar, ob er mit einer milderen Strafe oder – was genauso wahrscheinlich ist – mit einer höheren Strafe aus dem Verfahren hervorgehen wird. Erhöht die Kammer das Strafmaß auch nur um einen Tagessatz, so würde der Beamte als vorbestraft gelten. Er müsste dann wie sein Kollege, der wegen des Pfeffersprayeinsatzes bestraft wurde, ebenfalls nach dem Strafverfahren mit einem Disziplinarverfahren rechnen.

Noch gibt es kein Ermittlungsergebnis für Wasserwerfereinsatz

Aktuell ist dies laut der Staatsanwaltschaft der einzige Fall, der abgeschlossen ist. Weitere Verfahren stehen noch aus, die Ermittlungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Besonders umfangreich würden sich die Ermittlungen gegen die Beamten gestalten, die wegen des Wasserwerfereinsatzes angezeigt wurden. „Wir können noch nicht sagen, wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist“, sagte Claudia Krauth, Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Neue Zahlen zur juristischen Aufarbeitung werde die Behörde vermutlich erst Mitte Oktober parat haben.

Aus Sicht der Polizei ist das Verfahren wegen des Schlagstockeinsatzes „hochinteressant“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Rüdiger Seidenspinner. „Das wird spannend. Denn dann muss ja auch zur Sprache kommen, wer den Schlagstockeinsatz angeordnet hat“, so der Gewerkschaftschef. Zwar wäre die Polizei froh, das Thema 30. September wäre endlich abgeschlossen. „Wir haben so viele Einsätze, die uns beschäftigen, wie etwa die Ausschreitungen der Kurden in Mannheim vor Kurzem“, so Seidenspinner. Jedoch sei der Polizei daran gelegen, die politische Dimension des 30. September aufzuarbeiten: „Ähnlich wie bei Wackersdorf oder der Startbahn West ist die Polizei damals in Stuttgart im Schlossgarten missbraucht worden, um Interessen durchzusetzen.“