Ob mit Pistenbully, beim Gondel-Abendessen oder beim Snowbike-Kurs: Grächen überrascht.

Zermatt? Kennt man als Skifahrer. Saas-Fee? Kennt man auch. Aber Grächen? Nie gehört, werden die einen sagen. Ein absoluter Geheimtipp im Wallis, werden andere antworten. Fakt ist: Grächen liegt nur wenige Kilometer entfernt von seinen berühmten Nachbarorten, ist aber bei Wintersportfans weit weniger bekannt. Was nicht von Nachteil sein muss. Der kleine Ort auf 1600 Meter Höhe hat es verstanden, sich den typischen Charme eines Walliser Bergdorfes zu erhalten. Keine in den Berg betonierten Bausünden, kein ohrenbetäubendes Remmidemmi nach dem Skitag bis in die Nacht hinein. Stattdessen viele Holzhäuser, ein fast komplett autofreier Ortskern, Geschäfte, die so niedrig sind, dass man beim Betreten den Kopf einziehen muss. Und eine ansteckende Gemütlichkeit.

 

So viel Beschaulichkeit ist aber keineswegs mit Langeweile gleichzusetzen. Im Gegenteil. Grächen lebt die etwas andere Philosophie des Tourismus. Hier werden neue Skilifte nicht uferlos in den Berg gepflastert, hier gibt es vielmehr einen Mehrjahresplan, der in der nahen Zukunft Investitionen von 44 Millionen Schweizer Franken für neue Lifte und Bahnen vorsieht, ohne dass dabei ganze Hänge abgeholzt werden müssen. Ein Angestellter der Bergbahn umschreibt das so: "In Grächen werden keine Märchen erzählt, sondern gemacht." Was so viel heißen soll wie: Wachstum geschieht hier nicht auf Kosten der Natur. Oder wie es Olivier Andenmatten, Chef des örtlichen Hotelverbandes, beschreibt: "Bei uns hier oben ist alles etwas beschaulicher." Einst war sein Hotel Hannigalp der erste Gasthof am Ort, inzwischen betreibt es Andenmatten in der vierten Generation und bildet mit einigen anderen Betrieben den Verbund der Matterhorn Valley Hotels. Das Ziel: Die Häuser arbeiten beim Einkauf, bei der Buchhaltung und im Marketing zusammen und bieten ihren Gästen im Gegenzug eine Fülle von Aktivitäten. "Einer alleine könnte das nicht machen. So aber können wir ein umfangreiches Wochenprogramm ausweisen", sagt Andenmatten über die Idee des Ortes. Kein Zweifel: Animation der Gäste funktioniert hier lautlos.

Vor allem bei Familien genießt Grächen einen glänzenden Ruf. Knapp 50 Pistenkilometer, 38 Kilometer Winterwanderwege, 23 Kilometer Schneeschuhtrails: Da lässt es sich in greifbarer Nähe zum Matterhorn gut aushalten und abschalten. Der kleine Ort bietet jede Menge überraschende Aktivitäten. Zum Beispiel ein Fondueessen bei Nacht in der Gondelbahn. Klingt kurios, hat aber seinen Reiz. Oder eine Vollmondabfahrt auf Skiern aus einer Höhe von 2800 Metern hinab ins Dorf, wo zu später Stunde nur noch ein paar Laternen brennen und man beim Blick in manche Gasthöfe beobachten kann, wie sich die Hotelgäste ums knisternde Kaminfeuer scharen, statt den Fernseher anzuschalten. Oder einen Kurs im Snowbikefahren, dieser Symbiose aus Mountainbike- und Skifahren. Einer Sportart also, bei der Grächen das ist, was der FC Bayern München in Deutschland im Fußball ist – nämlich das Maß aller Dinge.

Oder eine Fahrt mit dem Pistenbully bei Dunkelheit. Ewald ist ein alter Hase, die 450-PS-Maschine sein zweites Zuhause. Seit 15 Jahren präpariert er die Skipisten zu Uhrzeiten, in denen sich die Touristen morgens im Bett nochmals umdrehen oder abends die müden Muskeln in der Sauna entspannen. "Wenn der Schnee zu nass und zu weich ist, wird’s schwierig", sagt er aus Erfahrung und schiebt die weiße Pracht mit seinem knallroten Ungetüm an jene Stellen auf der Piste, an denen tagsüber das Eis oder das Gras zum Vorschein gekommen sind. Wo eben noch alles zerfurcht war, ist wenig später die Piste bereit zur nächsten Abfahrt. Das gelbe Blinklicht auf dem Dach schickt seine zuckenden Blitze durch die Nacht, immer wieder ächzt die Maschine die Hänge nach oben, um kurz darauf fast senkrecht wieder bergab zu rattern. An besonders steilen Stellen sorgt eine Seilwinde für den nötigen Halt.

Fahrten mit dem Pistendienst sind in Grächen längst zum Renner geworden. "Die Nachfrage ist sehr groß", berichtet das örtliche Tourismusbüro. Im Preis von 99 Franken ist nicht nur der nächtliche Pistendienst enthalten, sondern auch Kontrollfahrten auf der Piste, das Präparieren eines Hangs für den Skibetrieb, erste Einblicke in die Arbeit von Schneekanonen und das kleine Einmaleins des Schneeschichtenaufbaus. Wer alles mitmacht, darf am Ende das Diplom "Schneespezialist" mit nach Hause nehmen. "Mit der Aktion sensibilisieren wir die Gäste auch für die Umwelt", sagt Ewald und stellt seinen Pistenbully ab. Feierabend für heute. Es ist 23 Uhr. Der nächste Skitag kann kommen. Sollen sie doch drüben in Saas-Fee und Zermatt jetzt den Disconebel aufsteigen lassen.

Grächen

Anreise
Mit dem Pkw via Kandersteg und Autoverladung Lötschberg, weiter über Goppenstein und Visp nach Grächen/St. Niklaus oder via Andermatt über die Autoverladung Furka, weiter über Realp, Oberwald, Brig und Visp nach Grächen/St. Niklaus. Da Grächen in vielen Bereichen autofrei ist, bietet das Tourismusbüro ab der Ortsmitte ein Elektrotaxi zum Gepäcktransport an: Telefon +41(0)797556060.

Unterkünfte
In Grächen und dem Nebenort St. Niklaus gibt es zahlreiche Gasthöfe, kleine Hotels, Privatquartiere und Ferienwohnungen. Mehrere Hotels haben sich in dem Verbund Matterhorn Valley Hotels zusammengeschlossen (www.matterhornvalleyhotels.ch). Alle sind familiär geführt und liegen in dem autofreien Ort. Mitglieder sind unter anderen das Hotel Hannigalp, das Turm Hotel Grächerhof, das Aparthotel Des Alpes und das Hotel Alpina.

Auskünfte
Tourismusbüro Grächen, www.graechen.ch, Telefon +41(0)279556060
oder Tourismusverein St. Niklaus & Region, Telefon +41(0)279563663.

Pauschalangebote
7 Übernachtungen in einer Ferienwohnung, 6-Tagesskipass der Bergbahnen Grächen, dazu 1 Tag Skifahren in Zermatt inclusive Taxitransport und Snowbike-Schnupperkurs kosten zwischen 399 und 749 CHF (317 bis 595 Euro).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall einen Abendspaziergang durch Grächen machen, wenn der Ort wie eine Puppenstube wirkt. Auch empfehlenswert: die Nacht-Ski-Show im Skigebiet auf der Hannigalp besuchen oder einen Kinobesuch im Iglu. Auf keinen Fall die Lichtschutzcreme vergessen. Das Hochplateau von Grächen ist laut Wetterstatistik eine der sonnenreichsten Ecken der Schweiz.