Die Schweiz und Handball passt nur bedingt – mit einer Ausnahme: Spielmacher Andy Schmid vom deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen verkörpert Weltklasse. An diesem Samstag spielt er im Nationalteam gegen Deutschland.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Nicht ohne meinen Kumpel – der Freundschaftssinn von Daniel Fellmann hat wohl entscheidenden Anteil daran, dass Andy Schmid heute da ist, wo er ist. Der 33-jährige Spielmacher galt als zu klein und zu schwach für die große Karriere, die stattdessen seinem ein halbes Jahr jüngeren Freund prophezeit wurde. Als die zwei Schweizer als 20-Jährige zu Grasshoppers Zürich wechselten, wurde Schmid von den Medien als Anhängsel von Fellmann abgetan. Nur weil dieser nicht auf seinen Kumpel verzichten wollte, habe der Club gleich beide verpflichtet.

 

Heute gilt der Musterprofi Andy Schmid vom deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen als bester Spielmacher der Welt, während Daniel Fellmann beim HC Kriens-Luzern in der heimischen NLA spielt und nebenbei als Lehrer arbeitet. Für manch einen – wie etwa den Flensburger Trainer Ljubomir Vranjes („Er macht besondere Sachen nicht nur einmal, sondern 20-mal hintereinander“) – ist Schmid, der Regisseur der Extraklasse, sogar positionsunabhängig der beste Handballer der Welt.

Zuschauerrekord in Zürich

Schmid hat nur ein Problem: Er ist Schweizer. Das heißt, dass er auf Nationalmannschaftsebene nicht viel ausrichten kann – so wie einst der walisische Weltklassefußballer Ryan Giggs. Die internationalen Großereignisse steigen regelmäßig ohne die Eidgenossen, die an diesem Samstag (17.45 Uhr) in der EM-Qualifikation gegen den amtierenden Europameister Deutschland im Zürcher Hallenstadion ihren Zuschauerrekord von 9000 Besuchern brechen werden.

Nach dem Abgang von Uwe Gensheimer in Richtung Paris ist Andy Schmid, der seinen Vertrag im April bis 2020 verlängerte, der neue König der Löwen. Er ist nun der Kapitän des Mannheimer Bundesligisten, das neue Gesicht der Mannschaft. Der Chef auf dem Feld ist er sowieso schon lange, als Vorbereiter und Vollstrecker. „Andy ist unser Denker und Lenker. Er ist sehr wichtig für das Team. Ohne ihn denken wir nicht“, sagt Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen.

Meister mit den Löwen

2010 wechselte Schmid zu den Rhein-Neckar Löwen. Nach einer schwierigen Anfangszeit hat er sich – so wie einst in Zürich– durchgebissen und sich zum Mann für die magischen Momente beim Meister aus Mannheim gemausert. Wobei er nichts dem Zufall überlässt. Stundenlang studiert er Videos des Gegners und spult so lange, bis er überzeugt ist, dass ihn auf dem Feld nichts mehr überraschen wird können.

In den vergangenen drei Spielzeiten wurde der 1,90 Meter große Ausnahmekönner jeweils zum besten Spieler der Bundesliga gewählt. Der deutsche Ex-Star Stefan Kretzschmar bezeichnete ihn unlängst auf Twitter als „,Lion‘el Messiah of Handball“, wozu er einen Löwenkopf postete. „Es ist natürlich schön, von Leuten solche Komplimente zu hören, die Ahnung haben vom Handballsport“, sagt Andy Schmid.

Bei den Rhein-Neckar Löwen gilt seit geraumer Zeit die Faustregel: Ist Andy Schmid gut, ist die ganze Mannschaft gut. Ist Andy Schmid nicht gut, ist die ganze Mannschaft nicht gut. Noch viel eklatanter ist das Abhängigkeitsverhältnis im Schweizer Nationalteam, in dem es keine anderen Spieler seines Kalibers gibt. Mittlerweile gönnt er sich deshalb auch immer wieder Auszeiten von der Auswahl, um sich beispielsweise seiner Trainerausbildung zu widmen oder der Sockenfirma, die er mit Uwe Gensheimer betreibt. Den Schweizer EM-Qualifikationsauftakt am Mittwoch in Slowenien (27:32) verpasste er krankheitsbedingt – das Rekordspiel gegen die Deutschen lässt er sich indes nicht entgehen.