Heftige Unwetter haben am Montagabend im Kreis Esslingen erneut für überflutete Straßen, umgestürzte Bäume und beschädigte Gebäude und Fahrzeuge gesorgt. In Aichtal musste ein Pflegeheim mit beatmeten Patienten evakuiert werden.

Kreis Esslingen - Am Montagabend sind erneut schwere Gewitter mit Starkregen, Sturmböen und Hagel über den Landkreis Esslingen hinweggezogen und haben für teilweise massive Überschwemmungen, umgestürzte Bäume, beschädigte Häuser und Fahrzeuge und sogar eine Evakuierung gesorgt. Das Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums Reutlingen zählte im Zusammenhang mit dem Unwetter über 540 Notrufe für die Landkreise Reutlingen, Tübingen, Esslingen und den Zollernalbkreis.

 

Noch eindrücklicher sind die Zahlen, die von der Integrierten Leitstelle Esslingen des Deutschen Roten Kreuzes Esslingen-Nürtingen (DRK) und des Landkreises Esslingen gemeldet wurden. Laut Rettungsdienstleiter Michael Wucherer gingen am Montag in der Zeit zwischen 20 Uhr und 22.30 Uhr insgesamt 575 Anrufe über die Notrufnummer 112 ein. „Im gleichen Zeitraum in der Vorwoche ohne Unwetter waren es gerade einmal 20 Anrufe“, sagte Wucherer, der den Abend als „sehr anspruchsvoll“ bezeichnete: „Wir waren an der Belastungsgrenze.“

Leitstellen in Reutlingen und Göppingen überlastet

Das lag nicht zuletzt daran, dass die Leitstellen in Reutlingen und Göppingen überlastet waren und die Esslinger Leitstelle deren Einsatzanfragen deshalb teilweise mitbearbeiten musste. „Wir haben die Informationen dann per Funk an die Kollegen weitergegeben. Telefonisch war das ja nicht mehr möglich“, erklärte Wucherer. Teilweise seien die Menschen zur Meldung von überfluteten Kellern sogar auf die Notrufnummer 19222 umgestiegen, die eigentlich verwendet wird, wenn ein Krankentransport benötigt wird.

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Die Freiwillige Feuerwehr Esslingen richtete sogenannte Notabfrageplätze ein, um die Leitstelle bei der Aufnahme von Unwetterschäden zu unterstützen. Entscheidend sei laut Wucherer, dass an solchen Tagen medizinische Notfälle, etwa Herzinfarkte oder Schlaganfälle aus den Anrufen schnellstmöglich herausgefiltert würden, um sie prioritär behandeln zu können. Deshalb sei geplant, die Zahl der gleichzeitig nutzbaren Leitungen der Leitstelle zeitnah von derzeit acht auf zwölf aufzustocken. „Die schweren Unwetterlagen häufen sich. Dem wollen wir damit gerecht werden“, betonte der Leiter des Rettungsdienstes. Für medizinische Notfälle an Unwettertagen gab Wucherer außerdem einen wichtigen Hinweis: „Die richtige Nummer für solche Fälle ist grundsätzlich die 112. Hier ist unsere Bitte: Dranbleiben, bis man zur Aufnahme des Vorfalls und der Daten durchgestellt wird. Wenn man die Leitung verlässt, um es etwa unter 110 zu versuchen, geht die Warteschlange sonst wieder von vorne los.“

Evakuierung eines Pflegeheims in Aichtal

Obwohl der der Hagelniederschlag geringer ausfiel als bei den extremen Gewittern am vergangenen Mittwoch, sorgte der Starkregen auch diesmal wieder für enorme Wassermassen, die nach Angaben der Polizei zu noch nicht abschätzbaren Schäden, zahlreichen Gefahrenstellen und Verkehrsbehinderungen führten.

In Aichtal setzten die großen Niederschlagsmengen am Abend Straßen, Keller, Gebäude und das Feuerwehrhaus im Stadtteil Aich unter Wasser. In der Nacht auf Dienstag musste dort zudem ein Pflegeheim, in dem teilweise heimbeatmete Patientinnen und Patienten untergebracht sind, evakuiert werden, weil durch den starken Pegelanstieg der Aich immer mehr Wasser in das Gebäude eindrang. Der Einsatz begann laut der Leitstelle gegen 2.30 Uhr und dauerte bis in die Morgenstunden an. Acht beatmete Patienten wurden im Rahmen eines Großeinsatzes der Feuerwehr und des Rettungsdiensts von Aichtal nach Nürtingen transportiert.

Baugerüst stürzt in Ostfildern-Ruit auf Auto

In Filderstadt wurde wie bereits bei den Unwettern in der vergangenen Woche die B312 überflutet. Auch der Flughafentunnel stand wieder unter Wasser und musste deshalb gesperrt werden. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, war die Strecke auch am Dienstagmorgen noch nicht wieder vollständig befahrbar.

In der Nähe eines Einkaufszentrums in Ostfildern-Scharnhausen spülte das Wasser einen Gullydeckel fort – mit Folgen für einen Autofahrer, der mit seinem Wagen in das dadurch entstandene Loch fuhr, die Kontrolle über seinen Wagen verlor und in einer Wiese landete. Im Parkhaus des Einkaufszentrums löste sich durch die starken Sturmböen eine Deckenverkleidung und krachte auf die Fahrbahn. In der dortigen Apotheke liefen außerdem sämtliche Räume mit Wasser voll.

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In Ostfildern-Ruit stürzte kurz nach 22 Uhr ein Baugerüst auf ein unbesetztes Auto, das am Straßenrand abgestelltes war. Auch in Ostfildern-Nellingen, Wolfschlugen und Neuhausen wurden parkende Fahrzeuge durch umstürzende Bäume beschädigt. Auf der Landstraße zwischen Denkendorf und Neuhausen knickte ein Baum um und blockierte die Fahrbahn. Die Feuerwehr zerkleinerte den Baum.

Zahlreiche vollgelaufene Keller in Neckartenzlingen

Ein weiterer Gewitterschwerpunkt lag laut Rettungsdienstleiter Wucherer in der Gegend um Neckartenzlingen. Dort seien ab 20 Uhr zahlreiche Meldungen über starke Überschwemmungen eingegangen. „50 Zentimeter, 30 Zentimeter, wieder 50 Zentimeter: Da sind einige Keller vollgelaufen“, sagte Wucherer.

Meldungen über verletzte Personen im Kreis Esslingen lagen dem Polizeipräsidium Reutlingen am Dienstagvormittag nicht vor. Laut Polizeiangaben muss im Landkreis aber nach wie vor mit Straßensperrungen aufgrund von Überschwemmungen, umgestürzten Bäume und Verunreinigungen mit Schlamm gerechnet werden.

Auch in der Landeshauptstadt Stuttgart verursachte das Unwetter erhebliche Schäden. Dort wurden zahlreiche Straßen und Unterführungen überschwemmt und Bäume umgeknickt. Das Dach der Staatsoper wurde so stark beschädigt, dass eine laufende Aufführung abgebrochen werden musste.

Am Dienstagnachmittag drohen erneut schwere Unwetter

Am Dienstagnachmittag drohen laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zudem bereits weitere schwere Unwetter. Demnach können im Kreis Esslingen zwischen 14 Uhr und 22 Uhr aus Südwesten lokal schwere Gewitter mit heftigem Starkregen zwischen 25 und 40 Litern Niederschlagsmenge pro Quadratmeter in kurzer Zeit, Sturmböen um 85 Kilometer pro Stunde und Hagel mit Korngrößen von bis zu zwei Zentimetern aufziehen. Laut DWD ist es nicht ausgeschlossen, dass sich eine nordostwärts ziehende Gewitterlinie formiert. Dann seien lokal extrem heftiger Starkregen bis 60 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit, orkanartige Böen mit Geschwindigkeiten um 115 Kilometer pro Stunde sowie Hagel mit einer Größe von bis zu vier Zentimetern und größere Hagelansammlungen möglich. Erst am späten Abend schwächen sich die Gewitter wieder ab.