Hat er im Wahn getötet oder klaren Geistes? Der psychiatrische Gutachter hält den mutmaßlichen Schwertmörder für vermindert schuldfähig.

Stuttgart - Der renommierte psychiatrische Gutachter Peter Winckler ist entwaffnend ehrlich: „In diesem Fall bin ich mir überhaupt nicht sicher.“ Wenn jeder Fall so unübersichtlich, so kompliziert und so widersprüchlich wäre, so Winckler vor dem Landgericht, wisse er nicht, ob er seinen Job noch weiter machen könne. Am Ende legt er sich, was den mutmaßlichen Schwertmörder betrifft, dann doch fest – fast jedenfalls.

 

Am 31. Juli 2019 hatte der heute 31-jährige Issa L. im Stuttgarter Stadtteil Fasanenhof seinen ehemaligen Mitbewohner mit einem Samuraischwert förmlich hingerichtet – auf offener Straße, am helllichten Tag, vor den Augen der zwölfjährigen Tochter des Opfers. Das Motiv des Jordaniers, der sich bei seinem Asylantrag als Syrer Issa M. ausgegeben hatte, ist nach wie vor unklar.

Bei der Untersuchung habe er nicht den Eindruck gehabt, dass da ein gesunder Mensch vor ihm sitze, sagt Winckler. Trotzdem habe er sich die Frage gestellt, lebt der Angeklagte in einem religiösen Wahn oder versucht er, den Psychiater aufs Glatteis zu führen? Zu der Bluttat habe Issa L. gesagt, er habe den 36-Jährigen getötet, weil dieser ihm „sein Geheimnis weggenommen“ habe. Bei der Polizei hatte Issa L. ausgesagt, das Opfer habe ihn an seinem Geburtstag Mitte März 2019 heimlich unter Drogen gesetzt und ihn sexuell missbraucht. Ob das stimmt, weiß man nicht.

Rache als Motiv?

„Er hat gesagt, sein Motiv sei Rache gewesen“, so der Gutachter. Er, also Issa L., habe das Recht gehabt, seinen ehemaligen Mitbewohner zu töten. Aber Issa L. hat allen möglichen Leuten gegenüber auch merkwürdige andere Geschichten erzählt. Er sei der Messias, er sei Jesus, er sei von Gott geschickt. Einmal spreche Gott mit ihm, dann der Teufel, dann wieder seien es Engel, die ihn ansprechen würden. Gott schicke ihm Nachrichten über die Wolken, den Himmel, den Regen. Er habe jedenfalls keine Probleme damit, für seine Tat hingerichtet zu werden.

Schon die Gefängnispsychologin und der Psychiater des Vollzugskrankenhauses waren sich uneins. Sie hielt Issa L. für einen Psychotiker, er für einen Fanatiker.

Gutachter Winckler sagt, sollte es Probleme zwischen Issa L. und seinem einstigen Mitbewohner gegeben haben – egal welcher Natur –, dann sei der Mord nichts anderes als Selbstjustiz. Sollte sich der 31-Jährige die Probleme, beispielsweise eine Vergewaltigung, in seinem krankhaft gestörten Realitätsbezug nur eingebildet haben, sei der Mann nur vermindert schuldfähig. Winckler tendiert zum zweiten Fall. Issa L. solle in der Psychiatrie untergebracht werden, so Winckler. Der Prozess wird fortgesetzt.