Beim Kreisbauerntag sieht sich der Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt mit dem Unmut der Landwirte konfrontiert. An einer verschärften Gülle-Beschränkung will er trotzdem festhalten.

Schwieberdingen - Vor seinem Auftritt in Schwieberdingen am Freitag ließ sich Christian Schmidt (CSU) Zeit. Am Morgen noch hatte der Bundeslandwirtschaftsminister im Berliner Parlament für die Griechenlandhilfen gestimmt, am Nachmittag erwarteten ihn die Bauern aus den Kreisen Ludwigsburg und Heilbronn zum Bauerntag in der Turn- und Festhalle. Statt Antworten auf drängende Fragen, beispielsweise zum Mindestlohn oder zur zunehmenden Flächenversiegelung, gab es für die Landwirte erst einmal die Auskunft: Der Minister steckt im Stau. Besonders eine Frage brannte den Landwirten auf den Nägeln, und darin ging es schlicht um Gülle. Genauer: um die Frage, wann und wie viel Naturdünger die Bauern auf ihren Felder verteilen dürfen.

 

Als der Minister dann endlich da war, sagte ihm der Vorsitzende des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg, Eberhard Zucker, dass die geplante neue Dünge-Verordnung „unseren Betrieben großes Kopfzerbrechen“ bereite.

Die Landwirte fühlen sich von der Bürokratie gegängelt

Eine Aussage, die bezeichnend ist für die Befindlichkeit der Branche. Die Landwirte fühlen sich zunehmend gegängelt von bürokratischen Vorschriften und einem enger werdenden Korsett aus Gesetzen und Verordnungen. In diesem Fall will der Bund verhindern, dass die Bauern zu viel Jauche als Dünger auf den Boden spritzen, weil dadurch der Nitratwert im Grundwasser steigt. Deshalb soll die Sperrfrist für Düngung künftig von Anfang Oktober bis Anfang Februar gelten – bisher beginnt sie erst im November. Eberhard Zucker wies in seiner Rede darauf hin, dass wegen der zusätzlichen vier Wochen vor allem kleinere Betriebe zusätzliche Lagerkapazitäten für die Gülle schaffen müssten.

Christian Schmidts Landwirschaftsministerium sieht sich unter Zugzwang. Aktuell hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Der Grenzwert liegt bei 50 Milligramm pro Liter Wasser. Bei einer höheren Konzentration ist Nitrat auf Dauer möglichweise gesundheitsschädlich.

Für den Verband liegt das Problem im Messen

Jan Schwarting, der Geschäftsführer des Bauernverbands Ludwigsburg-Heilbronn, hält die EU-Initiative für „völlig überzogen“. Wenn Landwirte vier Monate nicht mehr düngen dürften, drohe eine Auslaugung der Böden, weil über den Winter die Stickstoffversorgung so lange auf Null heruntergefahren werde. Der Verband wolle nicht leugnen, dass es mancherorts Nitratprobleme gebe. Der Hauptgrund für die EU-Beschwerde liege jedoch in einem Messproblem. In Deutschland gebe es rund 170 Grundwasser-Messstellen – und zwar überall dort, wo es bislang erhöhte Nitratwerte gegeben habe. Gleichzeitig gebe es ein weiteres Netzwerk, das mit 800 Messstellen deutlich repräsentativer sei. Dort würden in 85 Prozent der Proben die Nitrat-Grenzwerte eingehalten.

Das Problem sei jedoch, dass Deutschland lediglich die (problematischen) Werte des Belastungsstellen-Netzwerks nach Brüssel melde. Die Niederlande beispielsweise melden stets alle Messergebnisse, was wiederum die Brüsseler Bürokratie weit weniger alarmiere als die durchweg schlechten Zahlen aus Deutschland.

Das Ministerium will die Reform durchziehen

Christian Schmidts Ministerium ist entschlossen, die Reform trotz aller Kritik durchzuziehen. So dämpfte auch der Minister die Erwartungen der Landwirte in Schwieberdingen: „Freudensprünge wird es mit der Dünge-Verordnung keine geben“, sagte er. Ohne eine Reform riskiere Deutschland ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Im Unterschied zur alten Verordnung würde die neue jedoch eine „zielgenauere Betrachtung“ ermöglichen, sprich: zwischen belasteten und unbelasteten Regionen differenzieren und je nachdem entsprechend weitreichende Verbote und intensivere Messungen vorsehen.

Nach Angaben des Ministeriums soll die Reform im September den Bundestag passieren. Das verschafft der Behörde offenbar Luft. So lasse die EU-Kommission das Beschwerdeverfahren aktuell ruhen. Auch das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg steht hinter der Reform. EU-weite Unterschiede bei der Messung und Meldepraxis von Nitratwerten seien zwar ein Problem für die Vergleichbarkeit, teilt ein Sprecher mit. Im Bundesministerium wiederum heißt es, man arbeite an einer besseren Vergleichbarkeit. Das ändere aber nichts am Ziel: die Nitratkonzentration im Boden dort zu senken, wo sie den Grenzwert überschreitet.