Nach den Abiturprüfungen fliegt Kim Herkle, die vielgeforderte Klasseschwimmerin aus Oeffingen, am Freitag zu den Europameisterschaften in die ungarische Hauptstadt Budapest.

Rems-Murr: Thomas Rennet (ren)

Oeffingen/Heidelberg - Nein, sagte Kim Herkle: „Bei Wettkämpfen mache ich auf gar keinen Fall mit.“ Sie war damals fünf. Schwimmen konnte sie schon, im Wasser war sie gern – aber mehr musste wirklich nicht sein. Ihre Meinung änderte sich allerdings, als die etwas älteren, schon sechsjährigen Kinder beim TSV Schmiden allerlei interessante Sachen von Wettkämpfen mitbrachten: Urkunden, Medaillen und – vor allem – Geschenke. Kim Herkle war deswegen sehr froh, als sie auch endlich sechs war. Ganz besonders mochte sie die kleinen Stofftiere, die es beim Schmidolin-Cup gab. Mit diesen kleinen Stofftieren begann gewissermaßen ihre Wettkampfzeit, ihre Schwimmkarriere, die sie über den VfL Waiblingen zum SV Cannstatt und an den Olympiastützpunkt in Heidelberg führte. Die nächste Woche über, der vorläufige Höhepunkt dieser Schwimmkarriere, rauscht die nun 18-Jährige aus Oeffingen bei den Europameisterschaften in der ungarischen Hauptstadt Budapest durchs Nass.

 

Eine Trainingseinheit vor der Englischprüfung

Was Hochleistungssport an Disziplin und Belastungsfähigkeit erfordert, lässt sich sehr eindrücklich mit Blick auf Kim Herkles vergangene Tage aufzeigen. Auch für die Kaderathletin standen – am Helmholtz-Gymnasium in Heidelberg – die Abiturprüfungen an. Zuletzt wandte sie sich am Montag den Englischaufgaben zu. Für Hochleistungsschwimmer allerdings gehört es zur Routine, schon vor den Anforderungen des Tages die ersten Bahnen im Becken abzuspulen. Anforderungen wie – Abiturprüfungen. Also traf Kim Herkle aus guter Gewohnheit frühmorgens im Bad des Olympiastützpunkts ein – kurz nach 6 Uhr etwa wieder am Montag vor dem Englischexamen. Katja Herkle, ihre besorgte Mutter, schlug danach vor: „Jetzt machst du auch mal nichts.“ Doch die Tochter, Musterschülerin in vielerlei Hinsicht, macht eher mehr als nichts, zumal vor den kontinentalen Titelkämpfen.

Trotz Abiturvorbereitung viele Topzeiten

Kim Herkle hat sehr besondere Wochen hinter sich, in denen sie die Abiturvorbereitung nicht bloß mit dem üblichen Sportpensum in Heidelberg kombiniert hat, sondern auch mit einer Reihe von neuen Topzeiten. Allein in ihrem sportlichen Paradefach über 200 Meter Brust hat sie sich binnen kurzer Zeit mehrmals weiter nach vorn und damit weit nach vorn gebracht. 2:25,40 Minuten stehen jetzt in den Statistiken: ihr bis dahin jüngster Jahrgangsrekord, eine Klassezeit auch unter Frauen und fast gar noch die Olympia-Qualifikation. Nur weil der nationale Verband die internationale Norm verschärft hat, darf Kim Herkle nicht mit einem Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio rechnen, die vom 23. Juli bis zum 8. August in der japanischen Hauptstadt ausgetragen werden sollen. Dafür fliegt sie mit dem deutschen Team am Freitag von Frankfurt aus nach Ungarn. Die Anforderungen für die kontinentalen Kräftemessen hat sie mehrfach erfüllt – nicht nur als Deutschlands Beste über 200 Meter Brust. Die ehemalige Schülerin des Gustav-Stresemann-Gymnasiums nimmt sich daher kurz nach den Abiturprüfungen in Heidelberg ein mächtiges Programm in Budapest vor.

Straffes Programm in Budapest

Ihre Bemühungen dort beginnen nach Absprache mit dem Stützpunkttrainer Alexander Kreisel nächsten Montag über 400 Meter Lagen, die Kim Herkle im April ebenfalls in bemerkenswerter Eile (4:41,76 Minuten) und als bis jetzt sechstschnellste Europäerin in diesem Jahr zurückgelegt hat. Dem kräftezehrenden Vielseitigkeitsnachweis mit allen Schwimmarten (Schmetterling, Rücken, Brust und Freistil) folgen von Dienstag an 100 Meter Brust, 200 Meter Brust und 200 Meter Lagen. Die Vielgeforderte aus Oeffingen möchte hier und da schon auch über den Vorlauf hinauskommen. „Das Halbfinale über 200 Meter Brust ist ein Ziel, aber bei den Europameisterschaften sind so viele starke Leute“, sagt Kim Herkle. Und die Konkurrenz hat größtenteils womöglich gerade keine Abiturprüfungen hinter sich. „Vergangene Woche war ein Limit erreicht“, sagt sie. Irgendwann geht die Belastung auch an ihre Grenzen. „Aber ich beiße jetzt die Zähne zusammen.“ Vor der internationalen Premiere unter Frauen in Budapest, schon auch noch vor den deutschen Meisterschaften Anfang Juni in Berlin: „Danach kann ich mich ausruhen.“

Und zumindest nach der Rückkehr aus der Bundeshauptstadt will sie dann wohl fürs Erste – wie einst mit fünf als kleine Schwimmerin des TSV Schmiden – auf gar keinen Fall mitmachen bei Wettkämpfen.