Schwimmerin vom SV Cannstatt holt Gold Aus der Eistonne zum Weltrekord

Stolz auf ihre Leistung: Eisschwimm-Weltmeisterin Sabine Steinke im italienischen Molveno. Foto: Martin Tschepe

Eisschwimmerin Sabine Steinke kürt sich in 33,33 Sekunden zur Weltmeisterin über 50-Meter-Freistil. Zudem bringt sie zwei Silbermedaillen mit nach Hause – derweil brachte eine Eisschicht die Organisation im italienischen Molveno etwas durcheinander.

Sport: Marius Gschwendtner (mgs)

Per Mertesackers legendäre Aussage „Ich lege mich jetzt erst mal drei Tage in die Eistonne“ in einem ZDF-Interview im Anschluss an das WM-Achtelfinale 2014 gegen Algerien, gilt im Rückblick als ein Puzzleteil, das zum späteren Titelgewinn der Fußball-Nationalmannschaft geführt hat. Eine Eistonne hat auch bei Sabine Steinke den Grundstein für den Weltmeister-Titel gelegt, denn die Schwimmerin des SV Cannstatt bereitete sich so zu Hause auf die Weltmeisterschaften im Eisschwimmen vor.

 

Durch die wochenlange Vorbereitung und Abhärtung schnappte Sabine Steinke diesmal nicht nach Luft, als sie im italienischen Molveno in das maximal zwei Grad kalte Wasser stieg. Stattdessen war sie voll auf ihren 50-Meter-Freistil-Wettbewerb fokussiert. In der Weltrekordzeit von 33,33 Sekunden sicherte sich Steinke in ihrer Lieblingsdisziplin schließlich die Goldmedaille in der Altersklasse 60. „Die Zeit ist sensationell, ich habe es selbst kaum glauben können“, sagt Steinke. Denn erst Anfang Januar schwamm sie in Veitsbronn bereits rund 34 Sekunden. Ihren Weltrekord verbesserte sie dann nur kurz darauf auf internationaler Bühne im südtiroler Örtchen nahe Trient um rund eine Sekunde.

Begonnen hat Steinke ihre Vorbereitung im Herbst des vergangenen Jahres. Seitdem geht sie regelmäßig in der Nähe ihres Wohnortes Winnenden in Seen oder der Rems schwimmen. Dabei band sie sich teilweise ein Seil um den Körper, um gegen den Strom auf der Stelle schwimmen zu können. Denn eine wirkliche Trainingsmöglichkeit gibt es in der Region nicht. „Ich würde mir wünschen, dass auch über den Winter ein Freibad zumindest einmal die Woche für ein paar Stunden geöffnet wäre“, sagt die ausgebildete Rettungsschwimmerin.

Zum Eisschwimmen ist Steinke, die mit dem Cannstatter Masters-Team zuletzt Deutsche Meisterin im wohltemperierten Wasser wurde, im übrigen eben wegen der geschlossenen Schwimmbäder während der Corona-Pandemie gekommen. „Ich wollte einfach schwimmen, deshalb bin ich an einen See gefahren“, berichtet die 61-Jährige. Zunächst dick eingepackt mit Neoprenanzug, Haube, Handschuhen und Socken. „Ich bin da rein wie ein Teletubbie“, erzählt sie und lacht. Am Plüderhausener See lernte Steinke dann Eisschwimmer kennen. „Die haben dann gesagt, jetzt leg doch das Ding ab, du kannst auch so rein“, berichtet sie. Mit der Zeit traute sie sich dann immer mehr zu. Bei einem Lehrgang bei Aachen lernte sie noch mehr „Verrückte“ kennen, wie sie selbst sagt. Eine Hüftoperation verhinderte vor zwei Jahren ihre erste WM-Teilnahme. „Eisschwimmen hat viele Vorteile. Es ist zum Beispiel eine kostenlose Hautstraffung. Manche zahlen viel Geld dafür“, meint Steinke.

Sabine Steinke bei ihrem täglichen Training in der Eistonne. Foto: privat

Doch anspruchsvoll ist der Sport allemal. „Wenn man ins Wasser geht, dann ist es als wenn man eine Bleiweste anhat. Es ist alles viel, viel schwerer“, berichtet Steinke. Geholfen damit umzugehen, hat ihr nicht nur die regelmäßige Abhärtung im kalten Wasser, sondern auch das Krafttraining mit ihrem Fitnesstrainer Tom Görres. „Ohne Krafttraining hätte ich das nicht geschafft“, sagt Steinke über die Einheiten mit dem Athletiktrainer der Handball-Männer der SG BBM Bietigheim.

Im nächsten Jahr möchte sich Steinke deshalb an die anspruchsvollere 100-Meter-Strecke wagen. „Bislang hatte ich etwas Bammel davor und war mir unsicher, ob ich das schaffe. Aber das hätte ich gut geschafft. Ich hätte bei der WM auch noch wenden können und weiter schwimmen können“, sagt die früher auf die 100 Meter im 25 und 28 Grad warmen Wasser spezialisierte Schwimmerin. Bei den deutschen Eisschwimm-Meisterschaften im Rahmen der Zollhaus Open in Sachsen wird Steinke es das erste Mal ausprobieren und über 100 Meter Brust an den Start gehen.

Feuerwehr muss Eis aus dem Becken fischen

Bei den Weltmeisterschaften in Molevo ging Steinke noch über 50 Meter Brust und 50 Meter Rücken an den Start. Insbesondere beim Rücken-Wettkampf lief es nicht so wie erhofft. Weil das 50 Meter lange Becken noch mit Eis bedeckt war, verzögerte sich der Start des Rennens um rund eine Stunde. Während die Feuerwehr den Pool vom Eis befreite, musste Steinke bei minus sieben Grad Außentemperatur in ihrem engen Badeanzug warten. „Das war stress pur“, berichtet sie. Im Anschluss kam sie nicht richtig in das Rennen. „Der Kopf war dann schon durcheinander“, sagt sie. Trotzdem gewann sie wie über 50 Meter Brust die Silbermedaille.

Deutschland zählt beim Eisschwimmen zu den führenden Nationen. Neben Steinke wurden unter anderem auch Langstreckenschwimmer Martin Tschepe aus Korb und die Leonbergerin Katja Hechel Weltmeister. Bei der Sportart gelten im Vergleich zum klassischen Beckenschwimmen einige spezielle Regeln: Es gibt keinen Startsprung, keine Rollwenden, erlaubt sind bei den Männern nur eine Badehose – bei den Frauen ein Badeanzug, eine Kappe sowie Schwimmbrille und Ohrenstöpsel. Außerdem ist das Eincremen mit Fett aus Sicherheitsgründen untersagt. Im Fall der Fälle muss es schnell gehen, die Helfer müssen einen Eisschwimmer oder eine Eisschwimmerin zur Not schnell retten können. Wer wegen Fetts auf der Haut glitschig ist, kann von den Helfern aber nicht richtig gepackt werden.

Verband will zu den Olympischen Winterspielen

Ziel der International Ice Swimming Association ist die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen. Dafür führt der Verband Gespräche mit dem Deutschen Schwimmverband, um dort einen festen Platz zu bekommen. „Das wäre nicht schlecht für den Nachwuchs, wir haben ganz tolle Talente, die bei der Weltmeisterschaft schon dabei waren“, sagt Steinke.

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